Bildung und IT - Geschichten von Rainer Zufall

Bokill

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Steh auf und lebe deine Träume? Rainer Zufalls wundersame Deutschland-Reise durch die Bildungs-Landschaft 2004.

Herr Rainer Zufall ist eine erstaunliche Person, die überall, zu allen Zeiten die merkwürdigsten Dinge vorfindet. Auch heute fiel ihm "zufällig" eine Radiomeldung in die Hände. Im Gegensatz zu seinem eng verwandten Opa Münchhausen (Baron), erzählt Rainer Zufall aber wahre Geschichten.

Von Rucksäcken und anderen germanischen Eigenheiten

Es gab mal in grauer Vorzeit, als der Himmel blau, die Würstchen braun, die Kinder glücklich waren einen "Oberboss", der eine Ruckrede hielt. Allerdings war diese Rede kein Loblied auf die germanischen Tragehilfen (engl.: [`ruksaek]), die wortwörtlich 1:1 im englischen übernommen wurde, sondern eine bewegende tiefschürfende Rede über die Innovationskraft, Risikofreude, Tatkraft und Weitsichtigkeit der germanischen Bundesrepublikaner.

Denn die Würstchen waren doch nicht mehr so braun, der Himmel doch nicht mehr so blau und die Kinder waren doch nicht mehr so glücklich. Dem Dorf-Deppen gleich, wurde den Bundesrepublikanern attestiert, dass sie nicht mehr die frühere Schaffenskraft ihrer Väter hätten. Schlimmer noch! Es wurde erstmals in einem länderübergreifenden Vergleich ihren Kindern attestiert, dass sie den Gartenzwergen gleich (Esels)-Hüte tragen müssten. (PISA-GAU).

PISA-Zetern, haltet den Dieb!

Heia, da war das Zetern und Schimpfen groß! Da wurde dem Test Ungerechtigkeit bescheinigt, die falschen Schüler seien ausgesucht worden, die falschen Lehrer hätten falsche Vorbereitungen getroffen. Nun denn. Rainer Zufalls Opa Münchhausen gleich, wurden "glaubhafte" Versprechen gegeben, dass die nächsten Jahre viel mehr für die Schüler und Studenten getan werden müsste.
Stand Sommer/Herbst 2004
Aber was musste Rainer Zufall heute im Radio hören? Hurrah! Der Bildungsetat blieb bei 9,7 % die letzten Jahre konstant! Hurrah! Keine Kürzungen! War dies eine Erfolgsmeldung? Nein leider nicht, denn nebenbei wurde berichtet, dass die ärgsten OECD-Länder-Konkurrenten ihre Bildungsetats permanent auf über 12% erhöhten. Zwar ist nun wieder der Aufschrei gross, da die OECD-Zahlen aus dem Jahre 2002 zu stammen scheinen, aber hat sich in den 2 Jahren wirklich grundlegen viel geändert? Ich denke nicht, bestimmte Länderpraktiken sind brühend heiss und nicht lau-warm.

- Der Anteil der möglichen deutschen Hochschulbesucher blieb bis 2002 konstant bei unter 30% (derzeit knapp 36%).

- Die OECD-Länder* hingegen konnten in den letzten Jahren diesen Anteil im Durchschnitt erhöhen. Einige Länder schafften einen Anteil von 40% Schulabgänger mit Hochschulreife.

- Die Soziale Kluft wird in den deutschen Schulen verstärkt statt eingeebnet.

- Die deutschen Hochschulen klagen über "Rinderwahn" bei den Studienanfängern. Der absolute Wert der Studienanfänger ist deswegen noch nicht so aussagekräftig. Einige Fakultäten treten inoffiziell dafür ein, dass in den Schulen vorwiegend lieber ordentlich Lesen, Rechnen und Schreiben unterrichtet werden müsste, damit nicht verkorkste falsche Fachvorstellungen in den jungen Geistern Einkehr hält. (Aktuell)

- In Teilbereichen werden Studienanfängern (Chemie) abgeraten zu studieren, da der Arbeitsmarkt schon seit Jahrenden keine Aussichten bietet, bis auf lebenslange Knechtschaft als Doktorand mit akademischem Elfenbeinturmfieber.(Seit Jahren aktuell).

- Den Lemmingen gleich, drängen in kohortenstärke Mausfellnutzer und Klickmeister in IT-Studiengängen ein. Sonntagsreden verleiten diese studentischen Idealisten dazu, zumal die Bundesdeutsche Green-Card für Inder und Co dies auch plausibel erscheinen lässt. (Aktuell)

Es ist bestimmt Rainer Zufall, dass natürlich die Opposition den schwarzen Peter der Regierung gibt. Rot Grün ist daran Schuld, als wenn niemals eine andere Regierungsmehrheit bestanden hätte. (seit Jahren TOP-Aktuell)

Es ist bestimmt Rainer Zufall, dass derzeit Schulautonomie in Niedersachsen ein Fremdwort ist. Es werden die Stellen nach Noten vergeben, nicht nach Bedarf. Schön zu wissen, dass die universitär (finanziell) benachteiligten Geisteswissenschaften zumindest hier bevorteilt werden. (Aktuell)

Es ist bestimmt Rainer Zufall, dass bundesweit immer wieder Wechselabsichten von Studenten (Orts-/Neigungswechsel) torpediert werden. Der Grund ist Rainer Zufall, denn wenn ein Land bestimmte Studenten nicht aus anderen Ländern haben will, so sorgt das benachteiligte Land für ähnliche "Un-Zugangsbestimmungen". Das ist so innovativ wie das mittelalterliche Wegerecht. (Seit Jahren aktuell).

Es ist bestimmt Rainer Zufall, dass diese Informationen auch kaum öffentlich sind, und so auch die Universitäten kaum wahrhaftige Auskünfte geben können (wollen). (Seit Jahren aktuell).

Eine allgemeine Transparenz mit Chipkarte (wie es die Krankenklassen vormachen) oder RFID ;) ist undenkbar. Hat sich da Rainer Zufall abgesprochen mit den (Un)-Bildungsministern?

Wertvolle Schuldzuweisungen

Rainer Zufall ist da eher für Grundsatzdiskussionen mit klaren Schuldzuweisungen. Da wird aus Prinzip der Schwarze Peter schnell zugewiesen. Deswegen haben wir wertvolle Grundsatzdiskussionen Gesamtschule vs. Stufenmodell vs. Reformschulen vs. .... Es ist bestimmt Rainer Zufall, dass nun ein "uneigennütziger" Grüner zufällig mal wieder das 3-gliedrige Schulmodell verdammt, es mag zwar richtig sein, dieses Modell als mittelalterlich zu verdammen, aber so richtig richtig ist dies auch nicht, wieviele Schüler hatte Petrarca?. Dass Schulen Mittel brauchen (egal welches Grundsatzmodell), geht da in den "wertvollen Grundsatzdiskussionen" leider mal wieder unter.
Die Schulautonomie oder Spocks Ende der Logik und aller Weisheit Anfang?
Ob 2-gliedrig, 3-gliedrig oder kopflos, auch hier hat Rainer Zufall eine Lösung gefunden. Die Schulautonomie! Diese Schulautonomie sorgt zwar nicht für mehr Geld, aber immerhin haben die Schulen ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Stellen. In NRW wird dies stellenweise aktiv gepflegt, sogar Seiteneinsteiger könnten so eine Chance bekommen ... aber es kann nicht das eingestellt werden was gebraucht wird ... mehr Lehrer. Aber Niedersachsen zeigt ja wie "originell und bedarfsgerecht" Lehrer eingestellt werden können, per (der Weisheit und Bildungslogik ultimatives Ende) Notenhammer ... eine sehr "innovative bedarfsgerechte" Lösung für die derzeitige PISA-Misere. (Top-Aktuell)

Talentschau; Lösungen?

Mit anderen Worten: Rainer Zufall sieht eine Bildungslandschaft, die eher einer Wüste gleicht, denn einer blühenden Landschaft. Aber es ist nicht jegliche Hoffnung verloren! In der Wüste sind immer wieder Oasen zu bewundern. Gepflegt und geschaffen von engagierten Privatpersonen. Freie Schulen, von Eltern gestützt, notdürftig versorgt von Firmen auf der einen Seite.

Foren ein Pool von Talenten?

Auf der anderen Seite leben Foren, in denen Jugendliche, Arbeiter, Arbeitslose und Professoren/Doktoranden per Du miteinander reden, schwadronieren, lästern und Unsinn stiften ;) [Tacker des Monats]. Da wird freiwillig Bildung betrieben und die Beteiligten merken dies kaum ;). Foren haben einen unglaublichen Vorteil: sie sind klassenlos! Ohne gesellschaftliche Konventionen mutieren dann Baumaschinenführer zu kompetenten CPU-Design-Experten, Software-Installationsmeistern, Internet-Sicherheitsberatern und zwar so gut, dass auch echte Akademiker hier und da frische Infos abstauben können.

So leer und öde kann daher die Wüste gar nicht sein! Aber wie konnte es kommen, dass Talente sich in den Untergrund der tiefen feuchten fruchtbaren Info-Erde verziehen mussten, oder in die wenigen Oasen das frische seltene Erkenntniswasser schöpfen.
Entkrustungsmittel, Stiftungen, Vereine, Foren & Scouts
Wie ist so etwas möglich geworden, dass aus einer Republik mit fleißigen Bürgern solche Unbildungs-Mauern entstanden? Meiner Meinung nach ist die Verkrustung und Geiz vor allem mit privater Hand aufzubrechen. Bürger und Firmen haben es in der Hand, über Stiftungen oder Vereine Talente auszuspähen und zu fördern. Die bisherigen Kochrezepte Sonntagsreden und Empörung reichen nicht aus, im Gegenteil; durch das Schwarze Peter spielen wurde der Schuldige gesucht und immer noch nicht gefunden. Nur wurde immer wieder vergessen, die Bildungs-Bedingungen zu verbessern. So manchen (Unbildungs)-Politiker sollte man mal das CPU-Prinzip "Pipelining" erklären, möglicherweise kann dies auch kurzfristiges Quartalsdenken überwinden - zugunsten langfristiger Planungen.

...

AMD, Bayer, IBM, Intel und Co haben es in der Hand. Diese genannten Firmen haben jedenfalls auch ein gewisses Eigeninteresse Wissen/Wissenschaft zu vermitteln. Zum einen pflegen sie lesenswerte Technologieseiten (zwar mit Firmendrall), aber sie vermitteln auf den Firmenseiten doch gewisse Einsichten.

Tiefes Lob an dieser Stelle besonders an IBM (beispielhafte Seite Strained Si) und Intel (beispielshafte Seite Moores Law), mit deren Internet-Forschungs-Seiten :-). Teilweise zeigen sie schon länger Interesse, Technologie zu vermitteln, sei es durch Vorträge, oder auch Materialien/Medien. Ein weiteres Lob an AMD (für deren Firmenforum und PR für günstige Rechner für alle :-), und Bayer (Materialien zum Chemie-Unterricht).

Engagierte Firmen, jenseits vom kurzfristigen "Shareholder Value-Denken" haben es an der Hand diese Oasen zu hegen und zu pflegen. Zufälligerweise setzen diese Firmen auf einen ganz speziellen Arbeitnehmer, der eine recht genaue Vorstellung haben muss (über die Arbeitsprozesse vor Ort).

Genau jenen Überblick, bzw. die Fähigkeit sich selber einen Überblick zu verschaffen, hämmern diese Oasen regelrecht ein. Diese Info-Oasen koppeln sich vom übrigen (Un)Bildungsbetrieb ab und gedeihen dennoch. Die Erklärung ist einfach: Dort wird über den Tellerrand geschaut, dort ist Enthusiasmus, Hingabe ... ist es falsch dort in Foren und freien Schulen „zufällig“ Talent-Scouts hinzuschicken, um so einige Talente besonders zu fördern?

Gut möglich, dass aber die politischen Vorgaben in den Regelschulen gar konsequent umgesetzt werden. Statt dem modernen Ideal des flexiblen Arbeiters, der vor Ort dynamisch & eigenständig aktiv in die Produktion eingreifen kann (lean production, Total Quality Management), eifern die modernen "(Un)-Bildungspolitker" dem guten alten Henry Ford mit seinem "Fordismus"** nach. Sozusagen vom modernen Handy zurück zu den Gummistiefeln. Finnland zeigte ja andere Schwerpunkte der Innen-/Bildungs-/Industriepolitik. Was hatte NOKIA mal in grauer Vorzeit so produziert? Hmmm ...

Just 2 cents ... Mit freundlichen Grüßen Bokill

* OECD: Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

** "Von Taylor und Ford zur lean production"

 
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