Über das derzeit schwebende Kartell-Verfahren "AMD gegen Intel" haben wir nun schon mehrfach berichtet (siehe "Weitere Links" unten). AMD wirft Intel dabei zahlreiche Verstöße gegen den Sherman Antitrust Act, den Clayton Act und gegen den California Business and Professions Code vor, etwa große Kunden dazu gezwungen zu haben, Exklusiv-Verträge zu akzeptieren, großen AMD-Partnern Rabatte oder andere Unterstützungen vorenthalten zu haben, AMD-Großkunden "Vergeltung" angedroht zu haben für das "Fremdgehen", Mindestquoten festgesetzt zu haben, um Händler zu zwingen nur bestimmte Computer zu verkaufen, sowie PC-Hersteller dazu gezwungen zu haben, Starts von neuen AMD-Produkten zu boykottieren.
Ein Punkt der 48-seitigen Anklageschrift, genauer gesagt die Punkte 123 bis 126, sind in den letzten Tagen verstärkt in der Diskussion gewesen. Die Punkte werfen Intel vor, dass ihr Compiler die Ausführung von Programmcode auf AMD-Prozessoren boykottiere. So soll der Compiler mehrere Codepfade anbieten, je nachdem, welcher Prozessor gefunden wird. Das alleine wäre noch kein Problem. Die meisten Compiler bieten derartige Alternativ-Pfade an. Findet das Programm beim Start z.B. einen Pentium 4 Prozessor, führt es hochoptimierten, für diesen Prozessortyp angepassten Code aus, falls nicht, kommt eben ein alternativer, auf maximale Kompatibilität ausgelegter Codepfad zum Einsatz, der zwar langsamer und unoptimiert gestaltet ist, aber zumindest funktioniert.
AMD dagegen wirft Intel vor, dass der Intel-Compiler absichtlich unnötig langsamen Code zur Ausführung bringt, sobald das Programm per CPUID einen "Authentic AMD" Prozessor erkennt bzw. - noch schlimmer - das Programm vorsätzlich abstürzen lässt, vermutlich um die Instabilität der AMD-Prozessoren zu dokumentieren. Dieser Vorwurf, bzw. die Pauschalisierung, sorgte rund um den Erdball für hoch gezogene Augenbrauen, denn AMD nennt weder detaillierte Versionsnummern des Compilers, bei denen diese unlautere Vorgehensweise eingebaut sein soll, noch Compilerflags, die genanntes auslösen sollen, noch Programme, die davon betroffen sein sollen.
Die Erfahrungen aus der Praxis sprechen eine ganz andere Sprache. Nicht nur einmal haben wir in der Vergangenheit berichtet, dass die Optimierungen des Intel-Compilers auch auf vielen AMD-Prozessoren deutliche Vorteile bringen. In einem Bericht vom Juni 2004 schrieben wir:
Ein Kuriosum: der schnellste Compiler - selbst auf dem AMD Athlon 64 FX System - war einmal mehr der hochoptimierende Compiler der Version 8.0 von Intel. Keiner der getesteten Konkurrenten konnte seinen Compilaten in Sachen Geschwindigkeit das Wasser reichen.
Auch die hochoptimierten BOINC SETI-Clients für verschiedene AMD-Prozessoren wurden allesamt mit dem Intel Compiler erstellt. Warum? Weil die jeweiligen Modder nach ausführlichen Tests erkannt hatten, dass der Compiler selbst für AMD-Prozessoren den schnellsten Code abliefert. Auch der Vorwurf, dass der Code AMD-Systeme absichtlich zum Absturz bringen soll, kann in der Praxis nicht nachvollzogen werden. Die optimierten Clients laufen auf AMD-Prozessoren schnell und stabil. Im Gegenteil: AMD profitiert nach wie vor gratis von den Optimierungen des Intel-Compilers, nachdem es AMD noch immer nicht geschafft hat, einen eigenen AMD-Compiler auf den Markt zu bringen, mit dem Entwickler hochoptimierten Code für AMD-Prozessoren erstellen können. Selbst bei der Entwicklung von x86-64 Programmen müssen sich die Entwickler auf GCC oder auf Microsoft verlassen.
Insofern sind die Punkte 123-126 der Anklageschrift in dieser pauschalisierten Form zumindest diskussionswürdig und werfen damit unnötigerweise ein schales Licht auf den Rest der Anklagepunkte. Man wird sehen, welche Beweise AMD vor Gericht aufbieten wird, um die Vorwürfe bzgl. der Compiler-Mauscheleien zu untermauern. Wir halten Euch auf dem Laufenden... Danke Neuer für den Hinweis
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