Nach BILL ROPER hätte ich nicht gedacht, dass heute ein weiteres Climax auf mich warten würde. Und doch kam es, unerwartet und plötzlich. Gut, die Überschrift "Gripping Players by Making Games Emotionally Engaging" hört sich gut an, aber das ist bei Headlines so üblich. Aber dann der Big Bang: Ein derart gute Präsentation habe ich selten, nun ja, eigentlich nie erlebt. Vorgetragen hat David Freeman, ein Hollywood-Pro in Sachen Filmpolitur. Seine Spezialität ist das Verebssern von Plots, Charakteren und Dialogen.
Seit Kurzem ist er auch in der Spieleindustrie tätig, dieser fünfzigjährige, gym-formed guy, der so profesionell Frohsinn und Kompetenz ausstrahlt wie kaum jemand in der noch jungen Spieleindustrie. Sein jüngstes Projekt war Fear, und jetzt verstehst du auch, wieso die Story und der Hauptcharakter von der Presse so hoch gelobt wurden.
Im Grunde war Mr. Freeman nur gekommen, um Werbung zu machen für sein neues Buch und natürlich für seine Firma, doch am Ende gab's einen sehr langen Applaus; der Hauch von Standing Ovations lag sogar in der Luft. Mann, wieder so viel Vorgeplänkel, daran muss ich noch arbeiten. Aber ich versuche auch, ein wenig von der Stimmung zu berichten, davon, was sonst nur wenige machen. Also, jetzt aber zum Thema "emotionale Games herstellen" oder "Emotioneering".
David Freeman ist davon überzeugt, dass Spiele auf drei Säulen basieren sollen: Gameplay, Story und Emotionen. "Story without emotion is like eating a cardboard." Doch wie erreicht ein Game-Designer Emotionen? Als absolute Basis müssen zunächst die anderen zwei Punkte stimmen, das Gameplay also gut und die Story außergewöhnlich sein. Die emotionale Ebene baut er dann tief ins Unterbewusstsein des Spielers ein. Dafür gibt es verschiedene Techniken, David spricht von 34 verschiedenen. Einige davon enthalten folgende Schlagworte:
Helfe einer anderen Person.
Baue eine tiefe Bindung zu einem NPC auf oder lasse den NPC eine solche Bindung zu dir aufbauen.
Schaffe eine knisternde/ bedrohliche/ ... Atmosphäre zwischen Spieler und NPC.
Gib den Spielfiguren Tiefe, lass sie (und damit den Spieler) eine bestimmte Motivation folgen.
Stelle den Spieler vor emotional schwierige Situationen, in der er etwas aufgeben muss, um etwas anderes zu behalten.
Schaffe Symbole im Verlauf des Spiels, die einer bestimmten Location/ einem Gegenstand/ einer Figur/ eine besondere Bedeutung erhalten.
Gib deinen Charakteren ein Gewissen, konfrontiere sie mit Spirituellem.
Provoziere gegensätzliche Emotionen des Spielers zu einer bestimmten Person (zuerst hassen, dann lieben).
Baue Unsicherheiten und Enttäuschungen in den Plot ein.
Gib den Charakteren Herz!
Freeman hat noch viele weitere Punkte benannt und auch die eben genannten weiter ausgeführt. Himmel, ich könnte jetzt fast ein Buch darüber schreiben. Dazu hat er Beispiele aus der Film- und der Spieleindustrie angebracht, vor allem aus Half-Life 2.
Nehmen wir zum Beispiel Alyx. Sie ist kein klischeehafter Charakter wie z.B. Han Solo oder Gandalf der Weiße. Diese zwei Figuren lassen sich leicht mit zwei Eigenschaften umschreiben. Alyx hingegen besitzt nach Freeman drei "character traits", die sie damit einzigartig erscheinen lassen.
Techno-Guru
Tough, unabhängig
Kann aber auch verspielt, weicher sein
Die dritte Eigenschaft macht Alyx einzigartig. In einer Situation im Spiel etwa beklagt sie sich über Gordons brutales Vorgehen.
Oder Dog: Direkt nachdem du die Gravity Gun ergattert hast, spielst du mit ihm ein Fangen-Spiel, wobei die Rollen jetzt vertauscht sind. Der "Hund" wirft dir Dinge zu und du musst sie mit der Gravity Gun fangen. Das bindet dich an Dog, die Atmosphäre ist entspannt. Plötzlich jedoch schwirren Spinoagekameras um dich herum und aus Spiel wird bitterer Ernst. Eine interessante und "challaging" Situation, oder?
Doch Valve hätte noch mehr aus den Charakteren herausholen können. Ein Beispiel: Stell dir vor, du und Alyx seid gefangen und eure einzige Chance zu entkommen ist, Dog zu befehlen, einen Sprengstoffgürtel umzulegen und sich selbst in die Luft zu jagen. Du bist in einem Dilemma: Er ist zwar nur ein Roboter, aber einer, den du gerne hast. Andererseits hängt dein Leben und das von Alyx von dieser Mission ab. Also lässt du Dog die Tat vollbringen. Ihr seid jetzt zwar frei. Aber Alyx ist so erschüttert, dass sie beschließt, nicht mehr an deiner Seite zu kämpfen. Also musst du von nun an noch besser sein, um zu überleben. Im weiteren Verlauf des Spiels könnte sich Alyx aber wieder melden: Sie will nicht auch noch dich verlieren und hilft dir wieder. Vielleicht findest du zum Finale auch noch den Persönlichkeitschip von Dog, wer weiß? Eine gute, emotional geladene Story wäre es allemal.
Auf meine Frage, ob ein solcherart durchgestyltes Game nicht zwangsläufig auf Filmgröße schrumpfen müsste, um finanzierbar zu bleiben, antowortete David: "No, i don't think so. It depends on the genre." Und damit waren die 50 Minuten auch schon zuende. Wahrlich ein intellektueller Höhenflug.
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