Wie AFP und die New York Times berichten, will Bertelsmann deutsche Käufer demnächst mit einer geradezu irrwitzigen Geschäftsidee überraschen: Ein speziell an junge Leute gerichtetes Lexikon (bitte diese Information beim Lesen der folgenden Zeilen im Hinterkopf behalten, wir werden zum Schluss der Meldung nochmal darauf zurückkommen!). Das besondere daran ist jedoch keineswegs der speziell an Jugendliche gerichtete Inhalt, noch eine Art besondere Jugendsprache für die uns Erwachsenen jegliches Verständnis fehlt. Wie auch beim Alpenquellwasser liegt das herausstellende Merkmal in der Quelle des Inhalts: Auf rund 1.000 Seiten wird Bertelsmann rund 50.000 Artikel aus der deutschen Wikipedia zusammenfassen und den Text mit etwa 1.000 Abbildungen bereichern.
Von den 19,95€ Verkaufserlös geht 1€ direkt an Wikimedia, die Betreibergesellschaft der deutschen Wikipedia. Beate Varnhorn, Sprecherin von Bertelsmann und dort für Lexika und Referenzwerke zuständig, droht sogar mit jährlicher Wiederholung, falls die Ausgabe 2008, die mit 20.000 Exemplaren an den Start gehen soll, erfolgreich sein wird.
Bei den Einträgen, die jeweils auf wenige Zeilen zusammengekürzt werden müssen um in entsprechende Form für ein Offline-Lexikon gebracht zu werden, handelt es sich allerdings nicht die wichtigsten, sondern die beliebtesten Artikel. Obgleich beim Druck die größten Vorteile von Wikipedia auf der Strecke bleiben, namentlich die interne Verlinkung sowie die Möglichkeit der Mitarbeit eines jedes Einzelnen, stellt dies akademisch betrachtet einen Fortschritt dar. Bis dato ist Wikipedia zwar eine hilfreiche Informationsquelle für den schnellen Überblick, zitierfähig ist es allerdings nicht. Bei der Druckversion ist mit Bertelsmann zumindest die nötige Kontrollinstanz vorhanden, die der Online-Version fehlt. Ob die Qualität allerdings mit der Konkurrenz, wie beispielsweise der Encyclopædia Britannica oder der Brockhaus Enzyklopädie mithalten kann um akademische Zitierfähigkeit bescheinigt zu bekommen ist mehr als fraglich.
Falls Bertelsmann das Vorhaben die populärsten Artikel für das Lexikon auszuwählen tatsächlich ernst meint, dann werden wir ab September im Buchhandel Informationen zu Deutschland, Kosovo, Valentistag, Cloverfield, Nekrolog 2008, Penis, Liste der Hunderassen, Interpol, Sex, Emo, Uri Geller, Scientology, Österreich, Amy Whitehouse, Sexualpraktiken, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Michaela Schaffrath, Ngai Chun Cheung (nicht zwangsweise in dieser Reihenfolge) und noch mehr finden. Warum genau ausgerechnet junge Leute als ideales Zielpublikum auserkoren wurden ist uns völlig schleierhaft. Es gibt mit Sicherheit besser geeignete Gruppen die deutlich eher Willens sein dürften rund 20€ für etwas über den Tresen wandern zu lassen, dass online in ungekürzter Form auch völlig umsonst erhältlich ist.
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