Vergangene Woche haben wir den Artikel AMDs G2-Stepping - das letzte Aufbäumen des K8-Kerns veröffentlicht, in dem wir ausführlich über AMDs neues K8-Stepping namens G2 berichtet haben. Wie wir gezeigt haben, ist der G2 den bisherigen 65 nm Athlon 64 X2 Prozessoren mit G1-Stepping in Sachen Leistung (insbesonderes des Memory-Controllers) und Spannungsbedarf für stabilen Betrieb ("Untervolten") deutlich überlegen und diesem daher beim Kauf vorzuziehen.
Allerdings haben wir gestern Nacht auch in voller Härte zu spüren bekommen was es auch heißen kann einen Prozessor einzusetzen, der so neu ist, wie der G2. So waren wir gestern noch einmal am G2-Testsystem, um noch ein paar Benchmarks zu machen. Routinemäßig führten wir als Gegencheck zum "eichen" einige Tests durch, von denen wir bereits Werte hatten, um zu sehen ob noch alle Einstellungen passen. Allerdings trauten wir unseren Augen nicht. Die Werte lagen teilweise erheblich unter den Ergebnissen des letzten Wochenendes, allerdings so deutlich drunter (bis zu 40 Prozent), dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.
Ein Check der Einstellungen im BIOS und mit CPU-Z brachte zuerst keine Erkenntnisse, alle relevanten Einstellungen (Kerntakt, Speichertakt, Speichertimings, etc.) waren genauso eingestellt wie sie sein sollten. Wir machten einen Gegentest mit dem G1-Stepping. Damit war alles in Ordnung, alle Benchmark-Werte wie sie auch letzte Woche waren. Einige CMOS-Clears und zwei Stunden Tüftelei später fiel uns ein merkwürdiges Verhalten beim WinRAR-Benchmark auf. Der Test zeigte in den ersten paar Sekunden nach dem Start genau jene Performance, die ein 5000+ mit G2-Stepping haben sollte, ca. 1050 KB/s. Je länger der Test jedoch lief, desto niedriger wurde der Wert, obwohl laut Taskmananger WinRAR die beiden CPU-Kerne völlig für sich hatte.
Erst ein sehr genauer Blick auf ein parallel dazu laufendes CPU-Z offenbarte dann endlich die Ursache: der G2 "throttled" unter Vollast immer wieder für ein paar Zehntel Sekunden auf 1000 MHz herunter. Zuerst dachten wir an eine Fehlfunktion von Cool'n'Quiet, aber selbst nach der Deinstallation des AMD-Prozessortreibers und dem Deaktivieren von Cool'n'Quiet im BIOS zeigte sich dieses Verhalten nach wie vor. Auffällig war auch, dass lediglich die Taktfrequenz von 2600 MHz auf 1000 MHz fiel, die Corespannung jedoch konstant bei 1.3 V blieb:
Normalerweise ist das ein Zeichen dafür, dass die CPU zu heiß läuft und das Mainboard versucht, das System vor der völligen Überhitzung zu bewahren, indem es die CPU heruntertaktet ("throttled"), um ihr die Möglichkeit zu geben wieder abzukühlen. Leider funktionieren ja wie im Artikel gezeigt die Monitoring-Tools CoreTemp und Speedfan auch mit dem G2 nicht richtig, sodass wir die Kerntemperatur nicht auslesen konnten; allerdings war die ASUS Heatpipe, die für einen kühlen Kopf bei der Test-CPU sorgen sollte, nicht einmal handwarm.
Ein kurzer Blick ins BIOS jedoch offenbarte das Übel. Laut Anzeige lief der G2 im Idle bereits mit 66°C! Also Kühler runter, wieder drauf, korrekten Sitz prüfen, keine Besserung. G2 raus, G1 wieder rein, BIOS meldet 34°C. G1 raus, G2 rein, CPU-Temperatur wieder bei 65°C. Hatten wir bei dem ganzen CPU-Gewechsele etwa den Heatspreader beschädigt? Um ganz sicher zu gehen, steckten wir den G2 testweise auch noch in ein ASRock ALiveNF6G-DVI und siehe da: dort war alles völlig normal. 35°C Kerntemperatur, kein Throttleing unter Vollast, obwohl dessen BIOS noch älter ist, als das des MSI und den G2 damit erst recht nicht kennt.
Was bedeutet das nun im Klartext? Offenbar haben nicht nur die einschlägigen Monitoring-Tools so ihre liebe Not mit den Dioden der AMD 65 nm CPUs, sondern auch die Mainboards. Da das MSI K9N Neo V2 mit dem BIOS 2.2 den G2 noch nicht kennt (seit dieser Woche steht der G2 in der CPU-Supportliste als "under testing"), liest das Board die CPU-Diode offenbar viel zu hoch aus. Das Mainboard "denkt" damit der Prozessor ist viel zu heiß und dreht ihm unter Vollast den Saft ab.
Das zeigt auch wie viel Glück wir letztes Wochenende hatten mit dem G2 auf dem MSI-Board überhaupt brauchbare Ergebnisse bekommen zu haben. Einziger Unterschied: dieses Mal war das Board in ein Gehäuse eingebaut, beim Test letzte Woche nicht. Die paar Grad Unterschied waren der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte.
Das Problem ist nun, dass derzeit kaum ein Mainboard auf dem Markt den G2 schon korrekt erkennt. Wenn man Glück hat wie auf dem ASRock ALiveNF6G-DVI spielt das keine Rolle, wenn man Pech hat wie mit dem MSI K9N Neo V2 führt eine Kleinigkeit dazu, dass das System praktisch unbrauchbar wird.
Ob man von diesem Problem betroffen ist, kann man wie gesagt relativ einfach mit CPU-Z und WinRAR feststellen. Man startet CPU-Z und lässt nebenbei den Benchmark von WinRAR im Multithreading-Modus laufen. Nun beobachtet man den angezeigten Durchsatz von WinRAR sowie den Kerntakt bei CPU-Z. Dieser darf unter Vollast auf gar keinen Fall auf 1000 MHz abfallen, auch für ein paar Zehntelsekunden nicht. Ebenso muss der Durchsatz des WinRAR-Benchmarks auch nach mehreren Minuten Laufzeit noch genauso hoch sein (ein paar KB/s hin oder her) wie am Anfang, keinesfalls jedoch darf der Wert sukzessive um einige 100 KB/s fallen wie im obigen Bild zu erkennen (877 KB/s statt 1.052 KB/s).
Anwender, die ein ähnliches Problem haben, können sich bis zum Erscheinen eines neuen BIOS, das die Diode des G2 korrekt interpretiert, behelfen, indem sie die Kernspannung des Prozessors deutlich absenken. Wie wir ja im Artikel gezeigt haben hat zumindest unser Exemplar hier erheblichen Spielraum nach unten, lief sogar mit 1,125 V statt 1,300 V noch primestable. Da die Verlustleistung und damit die Hitzeentwicklung quadratisch mit der Kernspannung zu- oder abnimmt, führte das Absenken um diese 0,175 V zu satten 10°C weniger CPU-Temperatur laut BIOS. Solange das BIOS die Temperatur des G2 viel zu hoch ausliest möglicherweise genau die 10°C, die das System vom "streiken" trennen.
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