Der Markt für Mainboards mit Onboard-Grafik - genauer: mit im Chipsatz integrierter Grafik (IGP) - war in den letzten Jahren ein stetig wachsender. Anfangs waren IGP-Lösungen in der Tat nur für äußerst unspektakuläre Aufgaben geeignet, wie etwa für reine Office-PCs. In den letzten Jahren jedoch haben sich die IGP-Lösungen derart weiterentwickelt, dass praktisch jeder Anwender, der nicht zu den Konsumenten von 3D-Spielen neuester Bauart zählt, damit auskommen kann. Chipsätze wie der AMD 780G bieten dabei nicht nur Hardware-Beschleunigung für DVD- und HDTV-Inhalte, sondern auch immerhin 40 Shaderprozessoren, das größere Modell AMD 790GX zusätzlich noch bis zu 128 MB sogenanntes Sideport-Memory, also echtes eigenes VRAM ohne dem System per UMA Speicherbandbreite abzwacken zu müssen.
Trotz des rasanten Wachstums in den letzten Jahren in praktisch allen Segmenten der IT-Branche, sagen Marktforschungsinstitute das Ende der IGPs voraus - und das schon 2012. Grund dafür stellen die kommenden Prozessor-Entwicklungen von Intel, AMD, VIA und möglicherweise sogar NVIDIA dar. Bekanntlich sollen die Prozessoren der genannten Hersteller künftig integrierte GPUs erhalten. Der Grafikkern wandert damit von der Northbridge des Chipsatzes auf dem Mainboard direkt in die CPU. Diesen Evolutionsschritt kennt man aus der Vergangenheit bereits von einigen Komponenten: Ende der 1980er Jahre machte der Level 1 Cache als erste Komponenten diesen Schritt. Der Intel 80386 musste noch völlig ohne On-Die Cache auskommen, während der Nachfolger Intel 80486 bereits On-Die L1-Cache besaß. Es folgte der mathematische Co-Prozessor, der bis dato optional - meist bei Workstations - als separater Chip auf dem Mainboard saß. Als nächstes wanderte 1998 beim Intel Celeron "Mendocino" und etwas später beim AMD K6-III "Sharptooth" der Level 2 Cache vom Mainboard in das Die. 2003 folgte beim AMD Opteron gleich der ganze Memory-Controller und 2007 beim AMD Phenom sogar ein Level 3 Cache. Anmerkung: die Angaben gelten für den x86-Desktop-Bereich. In anderen Segmenten (vorzugsweise bei Servern und im RISC-Bereich) fanden die genannten Schritte teilweise erheblich früher statt.
In den nächsten Jahren nun wird die GPU folgen und damit werden Chipsätze mit integrierter Grafik überflüssig. Damit wird es künftig nur noch Systeme geben, die eine GPU im Prozessor tragen und - meist für Spieler oder andere Anwendungsgebiete, die maximale Grafikleistung benötigen - die dedizierte Grafikkarte; oder die "diskrete" Grafik, wie es die denglische Welt möchte.
Bei AMD wird die erste CPU mit integrierter Grafik bekanntlich der AMD Fusion sein. Dabei wird die integrierte GPU natürlich nicht nur als Co-Prozessor für GPGPU-Computing dienen, sondern - möglicherweise je nach Variante - auch als Grafiklösung. Die Vorteile liegen auf der Hand: erheblich billigere Chipsätze, kürzere Wege zum VRAM, nachdem auch der Memory-Controller mittlerweile (auch bei Intel) in der CPU sitzt und im Falle von GPGPU-Computing kein Flaschenhals mehr wegen irgendwelcher Bussysteme.
Früher waren Chipsätze noch die tragende Säule eines Computersystems. Nicht nur die Integration der Features hing davon ab, sondern auch ganz wesentlich die Leistung der Plattform. Nachdem in den letzten Jahren immer mehr Komponenten direkt in die CPU gewandert sind und noch wandern werden, rückt der Chipsatz an sich immer mehr in den Hintergrund. Auch die Integrationsdichte der Southbridge spielt mittlerweile nicht mehr die ganz große Rolle, nachdem dank PCI-Express inzwischen auch anspruchsvolle Komponenten wie etwa Gigabit-Ethernet-Controller wieder problemlos auf dem Mainboard verbaut und per PCIe angebunden werden können, was den Mainboard-Herstellern mehr Spielraum lässt bei der Ausstattung der Boards. Bei genauerer Betrachtung könnte man sagen, dass die Chipsätze bereits 2001-2003 mit dem NVIDIA nForce420 bzw. nForce 2 ihren Höhepunkt in Sachen Integrationsdichte erreicht hatten. Damals steckte neben einem Dual-Channel Speicher Interface und einer IGP auch noch USB 2.0, IDE, FireWire, eine Netzwerk-MAC, Dolby Digital Audio und ein HyperTransport-Link für die Verbindung Northbridge-Southbridge im Chipsatz. Nur die Southbridge mit integrierten SATA-Controllern MCP-S hat es aus welchen Gründen auch immer nie in Serie geschafft. Seit damals ist die Integrationsdichte des Chipsatzes wieder abnehmend: nur noch SATA und USB stecken in der Southbridge, Grafik ggf. in der Northbridge. Sound, LAN, FireWire und Memory-Controller sind wieder extern angebunden - und demnächst werden noch GPU und der PCI-Express Controller folgen, die beide in den Prozessor befördert werden.
Das System des Jahres 2012 wird demnach völlig anders aussehen, als ein aktuelles 2009er System; was kaum zu glauben ist, wenn man betrachtet wie wenig sich ein 2006er von einem 2009er System unterscheidet.
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