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Eilantrag in Sachen „Vorratsdatenspeicherung“ teilweise erfolgreich

Pressemitteilung

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Nr. 37/2008 vom 19. März 2008
Beschluss vom 11. März 2008
1 BvR 256/08

Eilantrag in Sachen „Vorratsdatenspeicherung“ teilweise erfolgreich

Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007
dient unter anderem dazu, die Richtlinie der Europäischen Union über die Vorratsdatenspeiche-
rung in deutsches Recht umzusetzen. Zu diesem Zweck enthält sein Art. 2 Änderungen des Tele-
kommunikationsgesetzes (TKG). Gegenstand der von acht Bürgern erhobenen Verfassungsbe-
schwerde sind die neu geschaffenen §§ 113a, 113b TKG. § 113a TKG regelt die Speicherungs-
pflicht für Daten. Anbieter von Telekommunikationsdiensten werden verpflichtet, bestimmte
Verkehrs- und Standortdaten, die bei der Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet an-
fallen, für einen Zeitraum von sechs Monaten zu speichern. § 113b TKG regelt die Verwendung
der gespeicherten Daten. Danach kann der bevorratete Datenbestand zum Zwecke der Verfolgung
von Straftaten, der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und der Erfüllung
nachrichtendienstlicher Aufgaben abgerufen werden. Die Norm enthält keine eigenständige Ab-
rufbefugnis, sie setzt vielmehr gesonderte gesetzliche Bestimmungen über einen Datenabruf un-
ter Bezugnahme auf § 113a TKG voraus. Bislang nimmt lediglich die Strafprozessordnung
(§ 100g StPO) auf § 113a TKG Bezug und ermöglicht zum Zweck der Strafverfolgung ein Aus-
kunftsersuchen über solche Telekommunikations-Verkehrsdaten, die ausschließlich aufgrund der
in § 113a TKG geregelten Bevorratungspflicht gespeichert sind.

Der Antrag der Beschwerdeführer, §§ 113a, 113b TKG im Wege der einstweiligen Anordnung
bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Er-
folg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ließ die Anwendung von § 113b TKG, so-
weit er die Verwendung der gespeicherten Daten zum Zweck der Strafverfolgung regelt, bis zur
Entscheidung in der Hauptsache nur modifiziert zu. Aufgrund eines Abrufersuchens einer Straf-
verfolgungsbehörde hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten
zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu
übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des
§ 100a Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tat-
sachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich er-
schwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). In den übrigen Fällen ist von einer Über-
mittlung der Daten einstweilen abzusehen. Zugleich wurde der Bundesregierung aufgegeben,
dem Bundesverfassungsgericht zum 1. September 2008 über die praktischen Auswirkungen der
Datenspeicherungen und der vorliegenden einstweiligen Anordnung zu berichten. Im Übrigen
lehnte der Erste Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab; insbesondere
lehnte er die Aussetzung des Vollzugs von § 113a TKG, der allein die Speicherungspflicht für
Daten regelt, ab.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, das Inkrafttreten oder den Vollzug eines
Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da der Erlass einer sol-
chen einstweiligen Anordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Ge-
setzgebers ist. Der Prüfungsmaßstab ist noch weiter verschärft, wenn eine einstweilige Anord-
nung begehrt wird, durch die der Vollzug einer Rechtsnorm ausgesetzt wird, soweit sie zwingen-
de Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in das deutsche Recht umsetzt. Eine solche einstweilige
Anordnung droht über die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in der
Hauptsache hinauszugehen und kann zudem das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven
Vollzug des Gemeinschaftsrechts stören.

Ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesverfassungsgericht den Vollzug eines Geset-
zes aussetzen kann, soweit es zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umsetzt, bedarf hier
keiner abschließenden Entscheidung. Eine derartige einstweilige Anordnung setzt aber zumindest
voraus, dass aus der Vollziehung des Gesetzes den Betroffenen ein besonders schwerwiegender
und irreparabler Schaden droht, dessen Gewicht das Risiko hinnehmbar erscheinen lässt, im Eil-
verfahren über die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache
hinauszugehen und das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug des Gemeinschafts-
rechts schwerwiegend zu beeinträchtigen. Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass ei-
ner einstweiligen Anordnung nur teilweise stattzugeben.

I. Eine Aussetzung des Vollzugs von § 113a TKG (Speicherungspflicht) scheidet aus. Ein be-
sonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil, der es rechtfertigen könnte, den Vollzug
der Norm ausnahmsweise im Wege einer einstweiligen Anordnung auszusetzen, liegt in der
Datenspeicherung allein nicht. Zwar kann die umfassende und anlasslose Bevorratung sen-
sibler Daten über praktisch jedermann für staatliche Zwecke, die sich zum Zeitpunkt der
Speicherung der Daten nicht im Einzelnen absehen lassen, einen erheblichen Einschüchte-
rungseffekt bewirken. Der in der Vorratsdatenspeicherung für den Einzelnen liegende Nach-
teil für seine Freiheit und Privatheit verdichtet und konkretisiert sich jedoch erst durch einen
Abruf seiner Daten zu einer möglicherweise irreparablen individuellen Beeinträchtigung.

II. Hingegen ist die in § 113b Satz 1 Nr. 1 TKG ermöglichte Nutzung der bevorrateten Daten zu
Zwecken der Strafverfolgung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde teilwei-
se auszusetzen. Die erforderliche Folgenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am
Vollzug der Norm hinter den Nachteilen, die durch den Normvollzug drohen, teilweise zu-
rückstehen muss.

1. Erginge keine einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber
später als begründet, so drohten Einzelnen und der Allgemeinheit in der Zwischenzeit
Nachteile von ganz erheblichem Gewicht. In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein
schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht
aus Art. 10 Abs. 1 GG (Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses). Ein solcher Da-
tenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten
und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen. Zudem werden in vielen Fällen
die durch den Verkehrsdatenabruf erlangten Erkenntnisse die Grundlage für weitere Er-
mittlungsmaßnahmen bilden. Schließlich können die abgerufenen Verkehrsdaten sowie
die durch weitere Ermittlungsmaßnahmen, die an den Verkehrsdatenabruf anknüpfen, er-
langten Erkenntnisse Grundlage eines Strafverfahrens oder gegebenenfalls einer straf-
rechtlichen Verurteilung des Betroffenen werden, die ohne die Datenbevorratung und
den Datenabruf nicht möglich gewesen wäre.

2. Erginge eine auf den Abruf der bevorrateten Daten bezogene einstweilige Anordnung,
erwiesen sich die angegriffenen Normen jedoch später als verfassungsgemäß, so könnten
sich Nachteile für das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung ergeben.
Diese Nachteile wiegen allerdings teilweise weniger schwer und sind hinzunehmen,
wenn nicht das Abrufersuchen ausgeschlossen, sondern lediglich die Übermittlung und
Nutzung der auf das Ersuchen hin von dem zur Speicherung Verpflichteten erhobenen
Daten ausgesetzt werden. Sollten die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen
Normen sich als verfassungsgemäß erweisen, so könnten anschließend diese Daten in
vollem Umfang zum Zweck der Strafverfolgung genutzt werden. Eine Vereitelung der
Strafverfolgung durch die zwischenzeitliche Löschung der bevorrateten Daten ist dann
nicht zu besorgen.

Die Übermittlung und Nutzung der von einem Diensteanbieter auf ein Abrufersuchen hin
erhobenen Daten sind allerdings in den Fällen nicht zu beschränken, in denen Gegens-
tand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO
ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen be-
gründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert
oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). Im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren
ist von der Einschätzung des Gesetzgebers auszugehen, nach der die in § 100a Abs. 2
StPO genannten Straftaten so schwer wiegen, dass sie auch gewichtige Eingriffe in das
Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG rechtfertigen können. In diesen Fällen hat das öffent-
liche Strafverfolgungsinteresse daher grundsätzlich ein derartiges Gewicht, dass eine
Verzögerung durch eine einstweilige Anordnung nicht hingenommen werden kann. Da-
bei ist im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu klären, ob
der deutsche Gesetzgeber durch die Richtlinie 2006/24/EG verpflichtet war, sämtliche
der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Straftaten in die Abrufermächtigung des § 100g
StPO einzubeziehen.

Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor, ist die Übermittlung und Nutzung der
bevorrateten Verkehrsdaten einstweilen auszusetzen. Insbesondere in den Fällen, in de-
nen die Abrufermächtigung der Strafprozessordnung (§ 100g StPO) Verkehrsdatenabrufe
bei Verdacht auf sonstige „Straftaten von im Einzelfall erheblicher Bedeutung“ oder auf
Straftaten mittels Telekommunikation ermöglicht, ist das Risiko hinzunehmen, dass eine
Verzögerung der Datennutzung das Ermittlungsverfahren insgesamt vereitelt. Die Nicht-
aufnahme in den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO indiziert, dass der Gesetzesgeber den
verbleibenden Straftaten im Hinblick auf Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1
GG geringere Bedeutung beigemessen hat. Dementsprechend geringer zu gewichten sind
die Nachteile durch eine Aussetzung der Datennutzung, die im Rahmen der Folgenabwä-
gung der Beeinträchtigung der Grundrechte der Betroffenen gegenüber zu stellen sind.

III. Für eine einstweilige Anordnung über die Datennutzung zu präventiven Zwecken (§113b
Satz 1 Nr. 2 und 3 TKG) besteht kein Anlass, da bislang keine fachrechtlichen Abrufermäch-
tigungen bestehen, die ausdrücklich auf § 113a TKG Bezug nehmen.
 
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