Eine Kolumne spiegelt stets ausschließlich die private Meinung des Kolumnisten wider. Niemals repräsentiert eine
Kolumne die Meinung der Redaktion oder des Seitenbetreibers.
Nachdem D’Espice sich in seiner Kolumne schon mit der Nachrichtenverbreitung über das Internet beschäftigt hat, möchte
ich mich heute einer anderen Form des Cyberjournalismus widmen: Produkttests auf Internetseiten.
Wollte man sich früher vor dem Kauf über ein Produkt informieren (sei es ein Computer, ein Auto oder eine simple
Zahnbürste), griff man meist zu einer Fachzeitschrift des jeweiligen Themenbereiches oder (im Falle der
Zahnbürste eher wahrscheinlich) zur aktuellen Ausgabe von "Stiftung Warentest" oder einem
ähnlichen Magazin. Dort konnte man sich in der Regel in großer Ausführlichkeit über die Vor- und Nachteile
der Produkte informieren, Vergleichstests studieren oder einfach nur zusätzliche Informationen zum richtigen
Umgang mit dem Gegenstand nach dem Kauf in Erfahrung bringen.
Diese Möglichkeit bietet sich dem Konsumenten natürlich auch heute noch. Doch in den letzten Jahren begann
ein neues Medium den Printmagazinen auch in dieser Kategorie den Rang abzulaufen: Das Internet.
Gerade im Bereich "PCs und Zubehör", mit dem ich mich hier schwerpunktmäßig beschäftigen will, trifft
dies besonders zu. Der potentielle Käufer eines neuen PCs oder einer einzelnen Komponente findet
nirgendwo mehr Informationen, als im Internet. Jedes Detail kann er in Tests diverser Webseiten
nachlesen und sich schon vor dem Kauf in Diskussionsforen mit Erfahrungen anderer vertraut machen.
Das Beste daran: Er bezahlt keinen einzigen Cent dafür!
Tolle Sache eigentlich, oder? Doch das Ganze kann auch einen Haken haben: Die Qualität und Verlässlichkeit
der gebotenen Informationen. Ist es bei Printmedien selbstverständlich, dass die Autoren der Testberichte
gewisse Qualifikationen im jeweiligen Gebiet aufweisen können und ihre Muttersprache in angemessener Weise
beherrschen, so ist das bei Redakteuren von Internetseiten leider allzu oft nicht der Fall. Anders als
bei Zeitschriften, wo meistens hauptberufliche Redakteure schreiben und stets von einer Verlagsleitung, einem Chefredakteur
und Lektoren kontrolliert werden, hat jeder Computerbesitzer mit Internetzugang prinzipiell die Möglichkeit,
einen Produkttest im Netz zu veröffentlichen. Dies bedeutet zwar einerseits, dass der potentielle
Käufer eines Produktes sich schon im Vorfeld aus vielen verschiedenen Quellen informieren kann, führt
andererseits aber auch zu einer im Vergleich zu Printmedien wesentlich geringeren durchschnittlichen
Qualität der angebotenen Tests.
Online-Magazine, deren Webmaster ihre Arbeit zwischen Mathe- und Religionshausaufgaben 5. Klasse erledigen, sind
durchaus keine Ausnahme. Die Deutschhausaufgaben scheinen dabei leider oft zu kurz gekommen zu sein. "Getestet" werden
dann meist die von Mami und Papi gesponserten Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke, was alleine ohne Beachtung
von Qualifikation und Alter des Verfassers schon arg an der Glaubwürdigkeit der Testergebnisse zweifeln lässt.
Doch auch von "reiferen" Zeitgenossen geleitete Hardware-Magazine im Internet sind nicht immer ein Musterbeispiel
an Objektivität. Anders als bei Zeitschriften oder größeren Internet-Magazinen, die ihre Testexemplare meist vom
jeweiligen Hersteller erhalten und nicht selten auch als Beta-Tester für frühe Samples fungieren, sind viele
Online-Magazine auf das Wohlwollen von Sponsoren angewiesen. Da die Seiten meist nicht-kommerzieller Natur
sind, muss der Modding-Shop um die Ecke schon mal ein Testmuster springen lassen, damit ein Testbericht überhaupt
möglich ist. Belohnt wird dies meist mit einem dicken Werbebanner, welches dem Leser des fertigen Artikels
gleich auf der ersten Seite entgegenleuchtet. Eine gute Sache soweit: Die Hardware-Seite hat ihr Testmuster
und der Shop seine Werbung. Doch was wenn die Testergebnisse unerwartet schlecht ausfallen?
"Der getestete Kühler lässt von der Kühlleistung her leider sehr zu wünschen übrig und die Lautstärke ist mit
einer Flugzeugturbine vergleichbar. Für die Bereitstellung des Testmusters bedanken wir uns ganz
herzlich bei unserem Sponsor www.xyz-cool.de , wo ihr den Kühler auch gleich für nur 89,90 € erwerben könnt."
Welcher Online-Shop oder Kühler-Hersteller würde so etwas schon gerne in einem gesponserten Testbericht lesen?
Diese Frage stellt sich natürlich auch der Autor des Artikels, der ja beim nächsten Mal gerne wieder ein
Testsample erhalten würde. Und schon werden die gleichen Testergebnisse vielleicht so verkauft:
"Der Kühler kühlte unseren Athlon XP ohne Probleme, im gesamten Test gab es keinen temperaturbedingten
Absturz des Systems. Dafür nimmt man auch gerne die hörbare, aber nie störende Geräuschkulisse in Kauf."
Die Verwertbarkeit des Artikels für den Leser geht dabei natürlich komplett den Bach runter. Das Konsumieren
der Testergebnisse ohne eine gesunde Portion Kritik kann somit leicht zu einem Fehlkauf führen.
In der Praxis kommen leider beide genannten Fälle nur allzu häufig vor, nicht selten sogar eine Kombination
von beidem. Natürlich gibt es auch viele qualitativ hochwertige Online-Magazine, die sich durch mit viel Sorgfalt
erstellte Testberichte auszeichnen und ihre Testergebnisse unabhängig vom Wohlwollen des jeweiligen Sponsors
veröffentlichen. Manche sind aufgrund ihrer Bekanntheit schon gar nicht mehr auf Sponsoren angewiesen
und besorgen sich ihre Testexemplare auf anderen Wegen. Doch was kann man als Konsument tun, um nicht
in die Falle zu tappen und den falschen Testberichten Glauben zu schenken? Die Antwort ist älter als
jede Hardware-Seite und jeder Computer: "Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, so brauch ich mich ja
nicht selbst zu bemühen", so beschrieb Immanuel Kant die Einstellung des unmündigen Anteils seiner
Zeitgenossen. Auf die hier beschriebene Situation übertragen, könnte man es so formulieren: "Habe ich ein
Online-Magazin, das für mich testet, so brauche ich mir ja selbst keine Gedanken zu machen." Eine solche
Denkweise führt früher oder später mit Sicherheit zu Fehlkäufen aufgrund minderwertiger Testberichte.
Aber auch die Lösung des scheinbaren Dilemmas hatte Kant schon 1784 parat: "Sapere aude! Habe Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen!", so schrieb es Kant schon 1784 in seiner berühmten
Schrift "Was ist Aufklärung?". Mehr als je zuvor ist dieser Wahlspruch in unserer heutigen
Informationsgesellschaft aktuell.
Der Konsument von heute muss mehr denn je seinen eigenen Verstand benutzen, wenn er Testberichte von
eventuell interessanten Produkten liest. Dies trifft zwar auch auf Leser von Printmedien zu, wie ich
versucht habe deutlich zu machen, aber in noch viel größerem Maße auf Leser von Internet-Magazinen.
Ein kurzes Nachdenken über die Intentionen des Verfassers und die richtige Interpretation des Gebotenen
können so manche Enttäuschung beim Hardware-Kauf ersparen. Unerlässlich ist es natürlich auch, sich
stets aus verschiedenen Quellen zu informieren. Viele Redakteursaugen sehen nun mal mehr als zwei und
verschiedene Redakteure schreiben mit unterschiedlichen Intentionen. Diese einfachen Grundregeln für
die Lektüre von Internet-Tests können einem schon viel Geld und Ärger ersparen. Denn eines wage ich
zu behaupten: Kant hätte den oben getesteten Kühler sicher nicht gekauft, egal welche Variante des
Testberichtes ihm vorgelegen hätte...
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