Gerücht: GeForce Partner Program: Mischt sich NVIDIA in die Markenstrategie der Hersteller ein?

Am 08. März veröffentlichte Kyle Bennett von HardOCP einen Artikel mit der Überschrift GeForce Partner Program Impacts Consumer Choice. Darin drehte sich alles um das GeForce Partner Program (GPP) von NVIDIA und dessen Folgen. Aufgrund des Schreibstils, der zum Großteil nicht belegbaren Aussagen sowie einer vorsorglichen Anwaltskonsultation seitens HardOCP traf der Beitrag auf ein geteiltes Echo. Einige sahen von Anfang an dunkle Wolken am Horizont aufziehen, andere warfen Kyle Bennett ein schlechten Stil und/oder einen persönlichen Rachefeldzug vor.
Im Artikel wird anfangs John Teeple, seineszeichens Direktor Partner-Marketing bei NVIDIA, zitiert:
In our latest effort to better serve gamers, we’re introducing our GeForce Partner Program.
The GPU and software of a gaming PC make all the difference in a gamer’s experience. And together with our add-in card and system partners, we’re dedicated to building the best PC gaming platform bar-none — this is the GeForce promise.
The GeForce Partner Program is designed to ensure that gamers have full transparency into the GPU platform and software they’re being sold, and can confidently select products that carry the NVIDIA GeForce promise.
This transparency is only possible when NVIDIA brands and partner brands are consistent. So the new program means that we’ll be promoting our GPP partner brands across the web, on social media, at events and more. And GPP partners will get early access to our latest innovations, and work closely with our engineering team to bring the newest technologies to gamers.
Partners are signing up, fast. They see the benefit of keeping brands and communication consistent and transparent.
The program isn’t exclusive. Partners continue to have the ability to sell and promote products from anyone. Partners choose to sign up for the program, and they can stop participating any time. There’s no commitment to make any monetary payments or product discounts for being part of the program.
GPP ensures our engineering and marketing efforts support brands consumers associate with GeForce. That transparency will give gamers the confidence needed to make their purchase, whichever products they choose.
Klingt eigentlich wie eine gute Geschichte, wäre da nicht eine der Bedingungen für GPP, welche HardOCP in Erfahrung gebracht haben will:
In order to have access to the GPP program, its partners must have its “Gaming Brand Aligned Exclusively With GeForce.” I have read documents with this requirement spelled out on it.
Angeblich verpflichten sich Teilnehmer am GeForce Partner Program, ihre Gaming-Marke ausschließlich mit GeForce-Produkten zu führen. Verknüpft man diese im Raum stehende Forderung mit dem fettgedruckten Abschnitt der Aussage von John Teeple, so zeichnet sich möglicherweise die Tragweite des Themas ab. Entweder, der Herstelller bekommt rechtzeitig Zugang zu neuer Technik und erhält Support, muss dafür aber eine eigene GeForce-Marke etablieren, oder aber er geht beim Launch neuer Technologie möglicherweise leer aus. In vielen Reaktionen auf den HardOCP-Artikel wurden solche Methoden seitens NVIDIA stark bezweifelt. Doch ein Körnchen Wahrheit scheint in der Sache drin zu stecken.
Denn wie die Kollegen von 3DCenter berichten, sind keine Gaming-X-Grafikkarten mit AMD-Grafikchips mehr auf der englischen Webpräsenz von MSI gelistet. Auf der deutschen Seite sind die Karten noch auffindbar, ein Verschwinden dürfte aber vorprogrammiert sein.
Sofern sich die komplette Tragweite bewahrheiten sollte, so stellt sich natürlich umgehend die Frage, ob solch ein Vorgehen überhaupt erlaubt ist. NVIDIA wurde seitens HardOCP und anderen Redaktionen um eine Stellungnahme gebeten. Bis heute gibt es keine offizielle Antwort bzw. Klarstellung. Lediglich der Fakt, dass Hersteller selbstverständlich mehrere Marken vertreiben können, soll von NVIDIA bestätigt worden sein. Und genau dieser Sachverhalt macht die rechtliche Einschätzung komplex. Denn NVIDIA verbietet damit nicht den Verkauf von Konkurrenzprodukten, sondern “nur” unter dem selben Namen. Man wird argumentieren, dass Hersteller, statt AMD aus den bestehenden Marken wie MSI Gaming X, ASUS ROG Strix oder Gigabyte Aorus zu verbannen, eine neue und eigenständige Marke für NVIDIA auflegen könnten. Oder eine eigene Marke für AMD auflegen und die bestehende Marke auf NVIDIA umwidmen. Oder – sollte das überhaupt ein Problem sein – einfach nicht dem GPP beitreten. Insofern scheinen die Hersteller rechtlich gesehen ausreichend Wahlmöglichkeiten zu haben, welche in Wahrheit aber nicht wirklich existieren. Wie gesagt, sollte das alles überhaupt zutreffen.
Falls Kyle Bennett recht hat, so mischt sich NVIDIA damit aktiv in die Markenstrategie der Hersteller ein. Faktisch werden vermutlich alle teilnehmenden Hersteller dann die bestehenden Gaming-Brands auf NVIDIA umwidmen (müssen). Der Endverbraucher schaut dann (zumindest vorerst) in die Röhre. Sollten die Hersteller überhaupt gewillt sein, neue Gaming-Marken für AMD zu entwickeln, so ist dieser Schritt mit Zeit und Kosten verbunden. Eine neue Marke zu platzieren passiert nicht von heute auf morgen, ist mit finanziellem und personellem Aufwand verbunden und benötigt auch Zeit, um zu prüfen, ob die neu entwickelte Marke nicht vielleicht schon anderweitig geschützt wurde. Und da möglicherweise sogar bereits vorhandene Hardwarelösungen aus dem Produktportfolio der Hersteller getilgt werden, könnte Kyle Bennet mit seiner Schlussfolgerung richtig liegen: Das GeForce Partner Program wirkt sich negativ auf die Auswahl des Kunden aus. Denn die besten Grafikkarten im Custom-Design werden nunmal unter den Gaming-Marken der Hersteller vertrieben.
Glaubt man den Reaktionen im Web, so sind mittlerweile alle Hersteller nicht mehr bereit, über das GeForce Partner Program zu sprechen. Es wäre ein Leichtes, die im Raum stehenden Anschuldigungen zu entkräften. Doch weder tut dies NVIDIA noch nehmen die Hersteller Stellung dazu. Auch das wirkt auf uns eher wie eine Bestätigung zum Thema.
Bei allen Konjunktiven: Nehmen wir an, HardOCP liegen mit ihrer Einschätzung richtig und der rechtliche Aspekt wurde von NVIDIA im Vorfeld sorgfältig abgeklärt. Dann mag die Sache rechtlich zwar in Ordnung sein, ethisch und moralisch ist die Sache aber äußerst zweifelhaft. NVIDIA will seine Marktmacht zementieren, ohne Rücksicht auf Verluste. Da bleibt nur zu hoffen, dass zumindest die Wettbewerbshüter aufmerksam mitlesen…