Pinnacle Ridge: Haben einige Webseiten versehentlich falsch getestet?

Am letz­ten Don­ners­tag war es end­lich so weit, die über­ar­bei­te­te Ver­si­on des AMD Ryzen wur­de offi­zi­ell vor­ge­stellt. Mit den Model­len Ryzen 7 2700X, Ryzen 7 2700, Ryzen 5 2600X und Ryzen 5 2600 wur­den vier Vari­an­ten des “Pin­na­cle Ridge” in den Markt ent­las­sen. Dank ziel­ge­rich­te­ter Ver­bes­se­run­gen bei der Her­stel­lung, der Cache-Latenz und bei der Tur­bo-Funk­ti­on ern­te­ten die neu­en CPUs fast durch­ge­hend Lob von den Tes­tern, sowohl was die Ver­bes­se­rung gegen­über dem Vor­gän­ger “Sum­mit Ridge” betrifft, als auch gegen­über den Gegen­spie­lern aus dem Intel-Lager.

Und den­noch könn­te es sein, dass eini­ge Redak­tio­nen den Pin­na­cle Ridge ver­se­hent­lich falsch getes­tet und damit sein vol­les Poten­zi­al nicht frei­ge­setzt haben. Das The­ma hat Anand­tech ins Rol­len gebracht, die zunächst mit fal­schen Ein­stel­lun­gen getes­tet und sich gewun­dert haben, wes­halb sich die Aus­sa­gen des AMD-Mar­ke­tings und die gemes­se­nen Fre­quenz­ver­läu­fe der­art unter­schei­den. Im Detail geht es dabei um das neue Fea­ture Pre­cis­i­on Boost 2, das die Takt­fre­quenz bei Nut­zung von mehr als 2 Ker­nen nicht schlag­ar­tig auf den All-Core-Tur­bo redu­ziert, son­dern fein­kör­ni­ger sen­ken soll, was ins­be­son­de­re im Teil­last-Bereich und bei Soft­ware, die mehr als zwei Ker­ne aber weni­ger als 8 Ker­ne nutzt (z.B. vie­le Spie­le), deut­li­che Vor­tei­le brin­gen soll.

Anand­tech hat­te jedoch zuerst ver­se­hent­lich ohne Pre­cis­i­on Boost 2 getes­tet und muss­te daher nach eige­nen Anga­ben 36 Stun­den Bench­marks noch ein­mal anfer­ti­gen, wes­halb sie mit dem Arti­kel nicht recht­zei­tig fer­tig gewor­den waren und viel Text noch nach der Ver­öf­fent­li­chung nach­ge­tra­gen wer­den musste.

Das Ver­se­hen hat sei­nen Ursprung bei der Vor­stel­lung der Intel “Cof­fee Lake”-Prozessoren Ende letz­ten Jah­res. Damals imple­men­tier­ten vie­le Main­board-Her­stel­ler eine Opti­on namens Mul­ti-Core Enhance­ment. Akti­vier­te man die­se Funk­ti­on (bei eini­gen Main­boards war sie sogar stan­dard­mä­ßig akti­viert) igno­riert der Pro­zes­sor sein TDP-Limit und tak­tet durch­ge­hend auf sei­nem 1‑Kern-Tur­bo. Eben­so wur­de igno­riert, dass AVX-Befeh­le deut­lich mehr Strom ver­brau­chen und daher der Takt redu­ziert wer­den muss. Dank die­ser “Werks­über­tak­tung” stan­den die “Cof­fee Lake”-Prozessoren bei den Leis­tungs­mes­sun­gen deut­lich bes­ser da als sie waren, wenn der Tes­ter nicht auf­pass­te. Aller­dings flog der Schwin­del schnell auf, da die Sys­te­me so kon­fi­gu­riert erheb­lich mehr Strom ver­brauch­ten als sie sollten.

Von die­ser Erfah­rung sen­si­bi­liert stol­per­ten die Tes­ter bei Anand­tech über eine Funk­ti­on im BIOS des AMD X470-Main­boards, die sich Core Per­for­mance Boost nennt. Im Glau­ben, dass es sich dabei um eine ähn­li­che Werks-OC-Funk­ti­on han­deln könn­te wie bei den Intel-Sys­te­men, deak­ti­vier­ten die Redak­teu­re die Funk­ti­on zunächst ein­mal. Erst spä­ter erfuh­ren sie, dass es sich dabei um die Tur­bo-Funk­ti­on han­del­te und durch deak­ti­vie­ren von CPB auch Pre­cis­i­on Boost 2 deak­ti­viert wur­de. Daher muss­te Anand­tech die kom­plet­te Test­rei­he noch ein­mal machen; mit akti­vier­tem CPB:

A side note – despi­te the mar­ke­ting name being cal­led ‘Pre­cis­i­on Boost 2’, the inter­nal BIOS name is cal­led ‘Core Per­for­mance Boost’. It sounds simi­lar to Mul­ti-Core Enhance­ment, which is a fea­ture on some Intel mother­boards desi­gned to go abo­ve and bey­ond the tur­bo mecha­nism. Howe­ver, this is just AMD’s stan­dard PB2: dis­ab­ling it will disable PB2. Initi­al­ly we tur­ned it off, thin­king it was a mother­board manu­fac­tu­rer tool, only to throw away some test­ing becau­se the­re is this odd dis­con­nect bet­ween AMD’s engi­neers and AMD’s marketing.

Im Anschluss muss­te sich Anand­tech in den Kom­men­ta­ren sei­nes Reviews anhö­ren, dass der Ryzen 7 2700X in ihren Tests “zu” gut abge­schnit­ten habe, bes­ser als in vie­len ande­ren Tests. Daher wur­de im Inter­net schnell das Gerücht gebo­ren, dass vie­le ande­re Publi­ka­tio­nen womög­lich auch über die Funk­ti­on gestol­pert sein und ver­se­hent­lich eben­falls ohne Pre­cis­i­on Boost 2 getes­tet haben könnten.

Doch stimmt die­ser Ein­druck über­haupt, dass Pin­na­cle Ridge bei Anand­tech beson­ders gut abge­schnit­ten hat? Unse­re Part­ner­sei­te 3DCenter hat zahl­rei­che Launch-Reviews ana­ly­siert und kommt dabei zu dem Ergeb­nis, dass der Ryzen 7 2700X bei Anand­tech 111% der Anwen­dungs­leis­tung eines Intel Core i7-8700K erreicht. Damit liegt der Wert in der Tat knapp über dem Durch­schnitt von 107%, aller­dings schnitt der Pro­zes­sor bei ande­ren Web­sei­ten noch bes­ser ab. Bei eini­gen dage­gen fällt der 2700X erheb­lich ab, erreicht nur 101% oder gar nur 97% der Leis­tung eines i7-8700K. Hier könn­te durch­aus sein, dass die Redak­teu­re ver­se­hent­lich ohne Pre­cis­i­on Boost 2 und damit ohne einem Key­fea­ture von Pin­na­cle Ridge getes­tet haben.

Aus­lö­ser der Irri­ta­tio­nen ist die Unart, dass vie­le Funk­tio­nen im BIOS anders bezeich­net wer­den als im Mar­ke­ting. Dabei ist Core Per­for­mance Boost (CPB) nicht neu. Bei den ASUS-Main­boards bei­spiels­wei­se wird die Tur­bo-Funk­ti­on der AMD-Pro­zes­so­ren schon lan­ge so bezeich­net. Die Hard­ware-Vir­tua­li­sie­rung AMD‑V wird im BIOS oft als SVM beti­telt, Cool’n’-Quiet fin­det sich teils noch unter der alten Bezeich­nung Power­Now! oder ganz all­ge­mein als P‑States Con­trol. Alte Hard­ware-Hasen wis­sen das, aber Kun­den, die nicht so tief in der Mate­rie ste­cken, wer­den durch die abwei­chen­den Bezeich­nun­gen natür­lich ver­wirrt, was nicht sein müss­te, schließ­lich ist die The­ma­tik auch so schon kom­plex genug.