Rätselraten um AM4: Echtes High-End oder nur neuer Name für FM3?
Seit AMD auf der Investorentagung am 6. Mai bekannt gab, die nächste CPU-Generation Zen auf einer Plattform namens AM4 herauszubringen, brodelt die Gerüchteküche. Unsere Kollegen vom 3DCenter haben eine Plattformskizze des Zen-Prozessors “Summit Ridge” auf einer chinesischen Webseite ausgegraben und berichteten darüber:
Nur gibt es einen kleinen Schönheitsfehler bei der Betrachtung, nämlich die Bezeichnung FM3. Was ist nun mit AM4 passiert? Dazu gibt es drei einfache Erklärungen:
- Die Folie ist mal wieder eine Fälschung.
- FM3 wurde in AM4 umbenannt.
- FM3 ist tot und wurde durch AM4 ersetzt.
Unsere 3DC-Kollegen votieren für Option 2, die Umbenennung. Das liegt durchaus im Bereich des Möglichen, bei den GPUs ist dies mittlerweile sogar zur Gewohnheit geworden. Aber passte dies auch zu AMDs neuer Ausrichtung, zu der die Konzentration auf alte Stärken, Interconnects und “brauchbare” CPUs wie der Phenom II X6 gehörte? Abseits der Frage, ob die Folie nun gefälscht ist oder nicht, wird AM4 kommen, eine Diskussion darüber ist also nicht vergebens.
Betrachtet man den Vorgänger AM3(+), so ist klar, dass es eher ein “größerer” Sockel als der obige FM3 werden müsste, immerhin gab es dort über den Chipsatz mehr als 32 voll angebundene PCIe‑2.0‑Leitungen. 16 wären also rein zahlenmäßig ein Rückschritt, was aber aktuell gut durch das doppelt so schnelle PCIe‑3.0‑Protokoll egalisiert werden kann. Allerdings muss dies nun kein Grund sein. Nur weil der Vorgänger soundsoviel Leitungen anbot, sagt das erst einmal nichts über den Nachfolger aus. Betrachten wir AM4 also vor dem Kontext von AMDs Firmenstrategie, so wie sie letzten Mittwoch erklärt wurde:
Zuerst fällt auf, dass sich AMD auf den Server- und Datacenter-Markt zurückbesinnt, auf dem sich die Opterons lange gut und zu hohen Preisen verkaufen ließen. Die neue Serverriege soll sich vor allem durch hohe Kern- und Threadzahlen und eine starke, “native” (also direkt auf dem Die integrierte) I/O‑Anbindung auszeichnen:
Außerdem setzt AMD auf den Spielemarkt, dort will man Marktanteile hinzugewinnen:
Auch auf weiteren Folien wird der Spielemarkt zusammen mit dem Datacenter-(Server-)Segment explizit als Investitionsschwerpunkt genannt:
Als einen der Schlüsselfaktoren im Spielebereich hat AMD die Darstellung virtueller Welten ausgemacht:
Zu diesem Zweck startete AMD bereits im März die Programmieroffensive Liquid-VR, die sich einer besonders flüssigen Darstellung verschrieben hat, sodass dem Anwender nicht übel wird:
Einer der besonderen Programmier-Modi ist bei Liquid-VR das sogenannte “Affinity Multi-GPU”, dahinter verbirgt sich recht simpel das getrennte Ansteuern von zwei Grafikkarten, je einer für das rechte und das linke Auge. Dies spart Latenz und erhöht die Bildwiederholraten:
Da stellt sich bereits die Frage, welchen Gefallen sich AMD tun würde, wenn diese zwei GPUs nur über je acht PCIe-Leitungen angebunden wären. Selbst wenn der Effekt nicht großartig ausfallen sollte, können v.a. im Spielebereich jedes FPS mehr und jede Nanosekunde Latenz weniger durchaus kaufentscheidend sein. Dazu kommt, dass AMD im Desktopsegment sicherlich wie üblich das gleiche Prozessor-Die wie für die Server verwenden wird, welche wie oben beschrieben mit viel “I/O” angekündigt sind, vermutlich also sowieso mehr als 16 PCIe-Leitungen besitzen werden. Wieso sollte AMD also das Zen-Die im Sockel “FM3” künstlich auf 16 PCIe-Leitungen beschneiden, wenn auf dem Die selbst schon mehr vorhanden sind?
Einen kleinen Nachteil könnte es im Low-Cost-Bereich geben, den der neue Sockel für die APUs auch abdecken müsste. Allerdings ist kein Mainboardhersteller gezwungen, auch alle PCIe-Leitungen anzuschließen. Schon früher gab es günstigere Boards, die an der Anbindung der PCIe-Slots oder den Spannungswandler sparten. Es wäre also kein Problem für z.B. 65-W-APUs günstige AM4-Lösungen zu entwickeln. Die Mehrkosten des Sockels wären eher marginal, die Mainboard-Hersteller könnten sogar Einsparungen verzeichnen, da keine unterschiedlichen Sockeltypen eingekauft und verwaltet werden müssen.
Und zuletzt hat sich AMD auch einer einfacheren Plattform-Strategie verschrieben:
Sicherlich galt dies im Vortrag nur in Bezug auf AM4, der FM2+ und AM3+ beerben soll, aber AMDs Finanzmittel sind begrenzt. Das Einsparen einer weiteren Plattform, z.B. AM4 auch als Nachfolger des Workstationsockels C32, käme AMD sicherlich gelegen.
Edit 10.05.2015:
Ein weiterer Punkt wäre, dass AMD bereits an kombinierbaren Hypertransport-PCIe-Links arbeitete. Zumindest taucht im Programmierleitfaden ein entsprechender Chip mit “cHT/PCIe-Links” auf. Das hieße, dass AMD das gleiche Die im Serverbereich zur Verbindung von Nachbar-CPUs per Hypertransport und im Desktopsegment für mehr PCIe-Leitungen verwenden könnte. Wir berichteten im Januar 2014 darüber, der Vollständigkeit halber hier nochmals der Ausschnitt aus AMDs Unterlagen:
Zusammenfassend kann man sagen, dass AMD vermutlich nicht nur die Katzenkerne samt Seamicro gestrichen hat. Die Indizienlage lässt auch die Vermutung zu, dass FM3 ebenfalls gestrichen wurde und durch einen potenteren Nachfolger namens AM4 ersetzt wurde, um das Potential der Gewinnung von Marktanteilen im Spielebereich zu erhöhen. Aus AMD-Fan- und Enthusiastensicht wäre dies natürlich zu begrüßen. Einige Nutzer haben immer noch ihre altgediente AM3-Plattformen mit X6-CPU in Gebrauch, nächstes Jahr könnte es nun wirklich einen würdigen Nachfolger von AMD dafür geben. Genauere Infos zu AM4 muss man allerdings nach wie vor abwarten.
Diskussion im Forum:
AMD AM4 Plattform für Zen CPU und APU.
Quelle:
Erste Informationen zum Mainboard-Chipsatz für AMDs Zen-Prozessoren | 3DCenter.org.