Gebrauchte Radeon RX Vega Grafikkarten überfluten eBay
Die sinkenden Kurse der gängigen Kryptowährungen scheinen nun direkt Auswirkungen auf den Gebrauchthandel mit Grafikkarten zu haben. Während die Neupreise für eine AMD Radeon RX Vega 56 seit Februar diesen Jahres zwar um über 300 EUR gesunken sind, fuhren sie sich dennoch vor einigen Wochen bei 509 EUR fest. Das ist erstaunlich, wo doch die unverbindliche Preisempfehlung für das Referenzmodell dieses Chips bei 399 EUR liegt. Normalerweise liegen Straßenpreise deutlich unter den UVPs. Man könnte daraus folgern, dass die Nachfrage noch immer recht hoch sein müsse.
Doch die Straßenpreise für Neuware scheinen nicht die ganze Situation des Marktes abzubilden. Wer derzeit bei eBay vorbeischaut und nach einer Radeon RX Vega sucht, der wird von Angeboten meist privater Anbieter regelrecht erschlagen. Zwar versuchen auch bei eBay noch einige Anbieter, die Vegas per Festpreis mit ordentlich Aufschlag abzustoßen, doch die beendeten Auktionen zeigen das reale Bild: derzeit wechseln Vega-56-Modelle für 320–370 EUR den Besitzer. Einige Anbieter legen offen dar, dass es sich um aufgelöste Mining-Rigs handelt, andere mogeln sich mit Angaben wie “nur kurz zum Rendern benutzt” um eine schlüssige Erklärung herum, weshalb sie als Privatanbieter vier Vegas auf den Gebrauchtmarkt werfen.
Auslöser für die Massenabstoßung dürften die weiter gefallenen Kurse der verschiedenen Kryptowährungen sein. Die Leitwährung Bitcoin ist seit Dezember 2017 von ca. 17.000 EUR auf derzeit ca. 5.500 EUR abgestürzt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn GPU-Miner schürfen keine Bitcoins, sondern bestimmte Altcoins; im Falle von Vega meist Coins aus der Cryptonight-Familie wie Monero, Aeon, BitTube oder Loki. Hier war der Kursverfall noch weit höher als beim Bitcoin. Insbesondere private Miner aus Deuschland stoßen mittlerweile an einen Punkt, an dem sich das Schürfen aufgrund der im globalen Vergleich sehr hohen Stromkosten nicht mehr rechnet; selbst mit einer Hochleistungskarte wie der RX Vega nicht. An den kürzlich eingeführten spezialisierten Mining-ASICs kann das sinkende Interesse an GPUs nur bedingt liegen, denn viele große Währungen wie Monero oder Bitcoin Gold haben nach Aufkommen der ASICs ihren PoW-Algorithmus geändert, um weiterhin GPU-exklusiv geschürft werden zu können.
Das nachlassende Interesse der Miningszene an GPUs bekommen offenbar auch die Hersteller von Grafikkarten direkt zu spüren. Insbesondere TUL mit seiner Marke Powercolor, die ausschließlich AMD-Grafikkarten anbietet, war laut den auf seekingalpha protokollierten Geschäftszahlen mit einem Umsatz-Minus von knapp 60 Prozent stark betroffen. Auch Gigabyte erwischte es mit minus 30 Prozent Umsatz spürbar, und das, obwohl Gigabyte auch NVIDIA-Grafikkarten im Sortiment hat, die vom Mining-Boom nicht ganz so stark erfasst wurden, und der Geschäftsbereich auch Mainboards mit einschließt. Das lässt erahnen, wie stark der Umsatzrückgang bei den AMD-Grafikkarten gewesen sein muss.
Abgesehen von den Radeon-RX-Vega-56-Karten, die wie festgenagelt bei über 500 EUR verharren, wundert es angesichts der geänderten Rahmenbedingungen nicht, dass sich die Straßenpreise für Grafikkarten im allgemeinen mittlerweile normalisiert haben.
Insbesondere die beim Ethereum-Mining sehr beliebten Karten Radeon RX 580 8 GB sind mittlerweile unter ihren Einführungspreis im Frühsommer 2017 gefallen. Allerdings sind wir noch nicht ganz wieder auf Normalniveau, denn als die RX 580 auf den Markt kam, war der Mining-Boom bereits in der Entstehungsphase. Der direkte Vorgänger RX 480, für den es auch “historische Prä-Mining-Preise” gibt, zeigt, dass wir derzeit noch etwa 10 Prozent über Normal Null liegen. Aber wenn der Preisverfall bei den Kryptowährungen anhält und auch der Gebrauchtmarkt geflutet wird, dürfte auch das nur noch eine Frage der Zeit sein. Die Gamer und “Normal-Kunden” wird es freuen.
Die Zahlen zeigen jedoch auch, dass AMD bisher maßlos untertrieben hat in seinen offiziellen Angaben im Rahmen der Geschäftszahlen, wie sehr (bzw. wie wenig nur angeblich) man vom Mining-Boom profitiert habe. Möglich, dass die Angaben AMDs auf jenen Bestellungen basierten, die Mining-Farmen direkt bei Distributoren oder Herstellern platziert hatten. Wie viele Grafikkarten regulär im Handel erworben, dann aber trotzdem für Mining verwendet wurden, hat man offenbar unterschätzt. Bleibt abzuwarten, wie sich diese Erkenntnis auf den zuletzt stark gestiegenen Aktienkurs auswirken wird.
Links zum Thema:
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