Bye Bye Sockel AM1

Mit Einführung der Bobcat-Familie im Jahr 2010 begann für AMD die Zweiteilung seines Sortiments in kleine, stromsparende Plattformen einerseits und große Architekturen für Desktop und Server andererseits. Bis dahin verfolgte AMD die Philosophie, dass eine Prozessor-Architektur (von zeitlichen Überschneidungen abgesehen) alle Einsatzgebiete abdecken müsse, vom preisgünstigen Sub-Notebook (Neo) über Laptops (Turion), Desktop (Athlon 64) bis hin zum Multisockel-Server (Opteron); mit der K8-Architektur ja tatsächlich so geschehen.
Das änderte sich 2010 mit Bobcat (bis zu 2 Kerne, 40 nm) und dem Nachfolger Jaguar (bis zu 4 Kerne, 28 nm). Insbesondere Jaguar darf durchaus als Erfolg gewertet werden, auch wenn der geplante Angriff auf’s Tablet zu keinem Zeitpunkt gestartet werden konnte. Zum einen sind von Jaguar und dem minimal überarbeiteten Nachfolger Puma/Puma+ und ihren Implementierungen Kabini, Beema und Carrizo‑L zahlreiche preisgünstige Laptops entstanden, und zum anderen haben es die Jaguar-Kerne sogar in die Custom-SoC von Xbox One und Playstation 4 geschafft, die AMD seit geraumer Zeit schon über Wasser halten.
In Form des Sockel AM1 brachte AMD die Jaguar-Kerne auch auf den Desktop. Als SoC trug Kabini den Chipsatz in der CPU, was extrem billige Mainboards unter 30 EUR ermöglichte, und als APU auch die Grafik-Einheit. Nur RAM, Laufwerk, Gehäuse und Netzteil fehlten noch zu einem vollständigen PC. Damit wurden sehr preisgünstige und stromsparende DIY-Office-Systeme möglich. Etwas stiefmütterlich hat AMD die Plattform aber schon immer behandelt, denn bis zuletzt blieb es bei Kabini-APUs. Die Nachfolger Beema und Carrizo‑L haben es nicht auf den Sockel AM1 geschafft, die ob der Weiterentwicklungen wie z.B. Turbo-Boost oder bessere Effizienz aufgrund der Gate-First-HKMG-Bulk-Fertigung bei GlobalFoundries statt des Gate-Last-Verfahrens bei TSMC durchaus interessant gewesen wären.
Doch mittelfristig will AMD wieder weg von der Zweigleisigkeit. Die kommende Zen-Architektur soll so flexibel sein, dass man die Abkömmlinge davon wieder segmentübergreifend einsetzen kann. Vom Tablet- oder Smartphone-Markt ist keine Rede mehr, aber vom 4‑W-Prozessor für Detachables bis hin zum Naples-Server mit 64 Threads pro CPU soll die Zen-Architektur skalierbar sein. Die Katzen haben ausgedient.

Quelle: Preisvergleich
Obwohl es noch bis Ende 2017 oder gar Anfang 2018 dauern wird, ehe Zen-basierende APUs auf den Markt kommen werden, und womöglich noch länger, ehe die TDP-Klasse von Kabini am Desktop wieder bedient wird, hat der Ausverkauf von AM1-Komponenten offenbar bereits begonnen. Anscheinend ist AMD der Meinung, mit Bristol Ridge derweil ein adäquates Angebot zu haben (wenn er denn endlich mal offiziell auf den Retail-Desktopmarkt losgelassen würde). Die AMD Athlon Quad-Core Varianten für Sockel AM1 sind auf dem deutschen Markt praktisch nicht mehr zu bekommen, und wenn dann nur noch zu Preisen von knapp 100 EUR, also gut dem Doppelten des regulären Marktpreises von vor einigen Wochen. Von den Quad-Core-Modellen sind nur noch die Sempron-Modelle einigermaßen gut lieferbar, die jedoch deutlich niedriger getaktet werden als die Athlons.
Auch die Mainboards sind mittlerweile seltener geworden. Nur die Modelle von ASUS sind noch gut verfügbar, wenngleich auch hier der Preistrend nach oben zeigt. Von ehemals ca. 28 EUR beim weit verbreiteten ASUS AM1M‑A bewegen wir uns über 36 EUR beim derzeit günstigsten Anbieter stramm auf die 40 EUR zu. Das MSI AM1I hat den Abverkauf schon hinter sich, ist mittlerweile nur noch über eBay zu bekommen und soll dort sagenhafte 80 EUR kosten.

Quelle: Preisvergleich
Damit gibt AMD das unterste Preissegment anscheinend vorzeitig völlig auf, denn kurz- und mittelfristig fehlen Interessenten die Alternativen, einen günstigen Office-PC mit maximal 25 W TDP, 4 Kernen und Plattform-Kosten unter 100 EUR zu realisieren.