“Schlechte Kommunikation, schlechter Support” – Boardhersteller sauer?
Bereits im Januar, anderthalb Monate vor der Markteinführung des AMD Ryzen, gab es Meldungen aus China, dass der Prozessor zwar bereit sei für einen baldigen Marktstart, die neuen AM4-Mainboards jedoch noch nicht. Wir verbuchten das als Gerücht mit geringem Nährwert, schließlich hatten alle Hersteller (außer ASUS) eine Menge AM4-Mainboards auf der CES präsentiert, ASUS baute für OEMs schon seit Monaten ein AM4-Board, damit diese Komplett-PCs mit der APU Bristol Ridge bauen konnten und AMD schickte nachweislich über Monate hinweg Engineering-Samples durch die Welt. Warum also sollten die Mainboard-Hersteller nicht bereit sein?
Die Markteinführung des AMD Ryzen am 2. März wurde jedoch ein holpriger Start für viele Redaktionen, abhängig davon, mit welchem Mainboard ihr Presse-Kit bestückt war. Zickige Speicher-Kompatibilität und fehlende Features waren dabei noch das geringere Übel, sterbende Mainboards wegen eines BIOS-Bugs dagegen schon gravierender. Und während in Deutschland die AM4-Mainboards noch einigermaßen gut verfügbar sind, scheint es in den USA weit schwieriger zu sein, als interessierter Kunde an entsprechende Platinen zu kommen.
Legit Reviews wollte deswegen von AMD und den Mainboard-Herstellern wissen, was da los ist. Ein Mainboard-Hersteller, der jedoch anonym bleiben möchte, äußerste sich ungewöhnlich drastisch zur Markteinführung von Ryzen. Eine schlechte Kommunikation habe vorgelegen, schlechter Support durch AMD und überhaupt sei es ein schlechtes Timing gewesen, den wohl ursprünglich intern für Ende Q2 geplanten Ryzen-Launch auf Q1 vorzuziehen, denn das sei genau in die Zeit gefallen, in der die Mainboard-Hersteller die Intel 200er Boards für das chinesische Neujahrsfest fertigbekommen mussten. Demnach habe AMD erst Ende Dezember beschlossen, den Launch um ein Quartal nach vorne zu verlegen und konnte laut dieser Quelle bis 2 Wochen vor dem Launch keine Angaben machen, mit welcher Stückzahl die Board-Hersteller zu rechnen hätten. Zu allem Überfluss machten die BIOS-Entwickler bei AMD, so die Aussagen, einen fürchterlichen Job und hätten nichts getan, um die Hersteller bei der Lösung der großen Probleme zu helfen, die alle mit der neuen Plattform gehabt hätte und noch immer haben.
AMD habe, so die Aussage, über die Jahre verlernt, eine komplett neue CPU am Markt einzuführen. Sie seien vorgegangen wie bei ihrem Grafikkarten-Launch und hätten das komplexe Ökosystem rund um die neue CPU herum außer acht gelassen. Die Mainboard-Hersteller seien nun dazu gezwungen, ihre Boards teuer per Luftfracht in alle Welt zu fliegen, um die Nachfrage zu stillen, statt wie sonst üblich günstig und in großen Mengen per Schiff. Hier der komplette Text in englischer Sprache:
“It’s all about the bad coordination, bad communication, bad support and bad timing to launch this platform in my opinion. With all these issues, none of us could start manufacture the boards sooner. Also, in January and February, all board vendors’ production lines were occupied with Intel 200 series boards before Chinese New Year and tried to ship as much boards as we can to ensure we won’t have stock issues while Asia was on New Year vacation.
In late December, AMD decided to pull in the launch date (it was scheduled to launch in late Q2) and launched it right after Chinese New Year but AMD keep the CPU supply quantity secret from us the whole time. They only shared the data 2 weeks before the launch, we didn’t understand why they were doing it. Also, their BIOS team and engineers were doing terrible jobs on supporting us on the BIOS microcode updates, driver updates, CPU samples for testing. They have done nothing they should have been doing to support the launch platform partners and always delay or give no response on support requests. We were all having huge issues to debug with limited AMD resource support including validating the parts, and fixing the memory clock speed that is all limited by AMD.
In general, it’s been too long for AMD to launch a new CPU, so they forgot how to do it, so they launched the CPU just like they were launching the graphics card. They didn’t care about the platform eco-system, so the eco-system is suffering and stock is delayed.
We are flying in new batches every 3 days to try to fulfill the back orders ASAP, so they should be all back in stock soon. With all the board reviews released, per Newegg and Amazon, the AMD memory limitation issue is slowing down the sales though.
We need your help to feedback that to AMD as well on their supports issues.”
Das sind ungewöhnlich scharfe Worte gegenüber AMD, kein Wunder, dass der Sprecher lieber anonym bleiben möchte. Was auf den ersten Blick kaum glaublich erscheint, fügt sich bei genauerer Betrachtung jedoch gut in das Gesamtbild ein. So imposant und leistungsstark der neue AMD Ryzen ist, Probleme und Unzulänglichkeiten auf Plattformebene gibt’s an allen Ecken und Enden. Der vemeintliche Bug bei bestimmten FMA3-Befehlen beispielsweise, über den wir gestern berichtet haben, soll angeblich bereits Anfang Februar entdeckt und gefixt worden sein, jedoch soll das entsprechende AGESA-Microcode-Update noch immer nicht in die aktuellen BIOS-Versionen integriert worden sein; warum auch immer.
Ein Hersteller von DRAM-Modulen sei sogar an die Redaktion von Legit Reviews herangetreten, ob man nicht einen Kontakt zu AMD herstellen könne wegen eines Ryzen-Samples zum testen der eigenen Produkte, weil eine direkte Anfrage an AMD offenbar unbeantwortet gelieben war.
Immer vorausgesetzt, die Anschuldigungen sind zutreffend; es wäre auch nicht das erst Mal, dass AMD einen Launch verpatzt und es sich mit Partnern verscherzt. Llano zum Beispiel ging komplett schief, was dazu geführt hat, dass unzählige Mainboards auf Halde blieben und abgeschrieben werden mussten. Auch bei AM2+ soll AMD in letzter Sekunde noch Änderungen an den Spezifikationen vorgenommen haben, weswegen viele als AM2+ kompatibel angekündigte Mainboards es bei der Einführung des Phenom dann doch nicht waren.
AMD in Person von John Taylor, Corporate Vice President des Worldwide Marketing bei AMD, äußerte sich erwartungsgemäß diplomatisch auf die Anfrage von Legit Reviews, dass Ryzen 7 eben eine starke Nachfrage erzeugt habe, welche von den Mainboard-Herstellern unterschätzt worden sei:
“AMD is pleased with the enthusiasm for Ryzen and the strong demand worldwide for Ryzen 7. Demand for Ryzen 7 does exceed our motherboard partners’ initial expectations. Our partners are rapidly ramping up shipments, and we expect sufficient motherboard supply in a few weeks.”
Der Text wirft allerdings auch viele Fragen auf. Dass AMD den Ryzen-Launch vorgezogen haben soll, klingt seltsam, wo frühere Roadmaps doch Q4/2016 und nicht Q2/2017 als Starttermin genannt hatten. Zudem gibt es unzählige, von AMD veröffentlichte AGESA-Microcode-Updates für AM4. In den BIOS-Versionen der Hersteller sind jedoch größtenteils noch uralte AGESA-Versionen enthalten. Wieso? Und dass man mit den AMD-Boards nicht fertig geworden sei, weil man sich auf die Produktion der Intel-Boards konzentrieren musste, lässt auch tief blicken. Mal sehen, ob AMD noch eine detailliertere Stellungnahme zu den Vorwürfen des anonymen Mainboard-Herstellers herausgeben wird.
Links zum Thema:
- Hat Ryzen Probleme mit bestimmtem FMA3-Code? ()
- Höhere Speichertakte für Ryzen ab Mai ()
- AMD nimmt Stellung zu “Low-Res-Schwäche” von Ryzen ()
- AMD Ryzen 7 1800X Review – Teil 1 ()
- 16 kommende AM4-Mainboards von ASRock bis MSI ()
- AMD sieht sich mit einer Sammelklage wegen Llano konfrontiert ()