AMD Ryzen Threadripper 2990WX im Planet-3DNow!-Review
Fazit
Seite 29 und damit finaler Akt in unserem Review zum Ryzen Threadripper 2990WX. Für einen einzelnen Prozessor haben wir in der Vergangenheit vermutlich nie einen höheren Aufwand betrieben als für AMDs neues Topmodell mit 32 Kernen. Weit über 700 Screenshots und Ergebnisdateien wurden generiert, aus rund 1.000 Einzelwerten wurden knapp 60 Diagramme erstellt und obendrein haben wir auch noch Spielevideos aufgenommen und bearbeitet.
Daran lässt sich erkennen, warum Planet 3DNow! so spät dran ist mit einem Review vom 2990WX. Seit Anfang August haben wir beinahe jeden Tag Benchmarks durchgeführt, den Verbrauch gemessen, Details betrachtet oder an Diagrammen sowie am Text gearbeitet. Das wir überhaupt die Möglichkeit dazu hatten, verdanken wir einem unserer Forenmitglieder, welches uns die CPU für mehrere Wochen zur Verfügung gestellt hat – nochmals besten Dank dafür!
Was wir erlebt haben ist eine CPU, die sich nicht in bisher existierende Kategorien einordnen lässt. Der innere Aufbau des 2990WX mit vier Dies in zwei unterschiedlichen “Varianten” (2x mit und 2x ohne I/O) ist ebenso außergewöhnlich wie der Anblick von 64 Threads im Taskmanager eines Desktop-Systems. Noch vor zwei Jahren war an eine solche CPU nicht im Traum zu denken, heute ist sie für rund 1.800 Euro real erhältlich. Was für eine Entwicklung!
Wie immer bei neuen Dingen gibt es auch beim 2990WX Licht und Schatten. Ja, die CPU ist teuer und verbraucht mit einer TDP von 250 Watt auch jede Menge Energie. Doch kann das Flaggschiff die Leistung auf die Straße bringen, so ist sie jeden Cent und jedes Watt wert. Leider ist es im aktuellen Softwareumfeld nicht selbstverständlich, dass die erwartete Leistung auch wirklich abgerufen werden kann. 7‑Zip, LuxMark und VeraCrypt sind die Beispiele in unserem Review, welche in erster Linie Probleme mit dem Prozessor bereitet haben. Deutlich schlechtere Leistungen als mit einem 1950X sind die Folge und zeigen, dass Anpassungsbedarf an so manch einer Software notwendig wird (sofern eine Besserung überhaupt möglich ist – wir sind da aber guter Dinge).
Ein Hauptkritikpunkt beim Launch der Prozessoren Mitte August war mangelnde Leistung in Spielen. Schnell wurde jedoch klar, dass dies keinesfalls am Prozessor selbst lag, sondern an den Umständen, unter denen viele der Reviews entstanden sind. Denn fast ausnahmslos wurde mit einer NVIDIA-Grafikkarte getestet. Dabei war der Grafikkartentreiber für den Leistungseinbruch verantwortlich, sofern die CPU mit 64 Threads betrieben wurde. Unser Gegentest mit neuerem, fehlerbereinigten Treiber sowie dem alten Treiber, aber nur 63 CPU-Threads, zeigt, dass das Urteil vieler Redaktionen im August schlicht falsch war. Ein 2990WX kann sehr wohl zum Spielen verwendet werden und die Leistung liegt auf dem gleichen Niveau wie beim Vorgänger.
Obendrein haben wir einige 3D-Benchmarks mit zwei Vega-64-Grafikkarten durchgeführt und konnten auch hierbei keinerlei Nachteile gegenüber einem 1950X feststellen. Verwundert waren wir eher darüber, dass die beiden AMD-Karten, obwohl eigentlich langsamer als zwei 1080 Ti, in unseren drei getesteten Spielen einmal gleich schnell, einmal leicht schneller und einmal deutlich schneller waren als die NVIDIA-Karten.
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in 3D-Anwendungen zwei Anomalien feststellen mussten. Eine betrifft Texturflackern in Arma 3, wenn der 2990WX mit allen vier Dies genutzt wird. Erst, wenn die zwei I/O‑losen Dies deaktiviert sind, verschwinden die Grafikfehler. Das ist bei AMD- und NVIDIA-Grafikkarten identisch und schreit auch hier nach einem Softwareupdate. Identisch in beiden Lagern ist auch, dass wir wiederholt mit Benchmarkergebnissen in Spielen konfrontiert wurden, denen 20 oder auch mal 30 Prozent auf die übliche Leistung fehlten. Bis zum Schluss konnten wir nicht herausfinden, was für diese Aussetzer verantwortlich ist. Vielleicht war es unsere Windows-Installation, vielleicht auch nicht…
Positiv, wirklich sehr positiv, ist die Leistung in den Anwendungen zu nennen, die Gebrauch von den vielen Threads machen können. BOINC ist eine Paradedisziplin für das neue Flaggschiff, bei welcher wir nahezu den doppelten Output gegenüber einem 1950X erleben konnten. Doch auch abseits dessen, beim Rendern gibt es große bis sehr große Performancesprünge zu beobachten.
Daneben müssen wir feststellen, dass mit einem 2990WX teilweise nicht mehr dessen Leistungsfähigkeit sondern die der verwendeten Software getestet wird. In HandBrake zum Beispiel ist ein 2990WX mit den mitgelieferten Presets langsamer als ein 1950X. Mit vielen weiteren Tests, darunter auch Multitasking-Konstellationen, konnten wir dagegen Situationen kreieren, in denen der 2990WX plötzlich wieder flotter und/oder effizienter in HandBrake unterwegs war als ein 1950X. Das zeigt: HandBrake ist nicht in der Lage, von 64 Threads sinnvollen Gebrauch zu machen. Und so dürfte das auch mit weiteren Programmen sein.
Soll heißen: Mehr denn je muss der geneigte Käufer wissen, was er mit dem Prozessor anstellen will. Erst, wenn eine konkrete Arbeitslast besteht, kann entschieden werden, ob der 32-Kerner sinnvoll ist oder nicht. Wer einen 2990WX im Glauben kauft, dass er die beste CPU bekommt, weil das gute Stück am teuersten ist, der wird enttäuscht werden. Die Arbeitslast (ob einzelne Programme oder Multitasking) sowie die verwendete Software entscheiden darüber, ob 1.800 Euro ein lohnendes Investment sind oder nicht. Jemand ohne klares Ziel kann preiswertere und bessere Alternativen bekommen. Für alle anderen ist der 2990WX einen Blick wert.
Auch für die Redaktionen wird es bei 64 Threads Zeit, sich etwas um zu gewöhnen. Die Situation mit HandBrake, die bei anderen Anwendungen ähnlich sein kann, beweist, dass einzelne Aufgaben nicht mehr zwingend die Leistung eines Prozessors nachweisen müssen. Vielmehr kann die genutzte Software am Ende ihrer Möglichkeiten sein und einen potenziell schnelleren Prozessor auch mal alt aussehen lassen. Sollte die Entwicklung hin zu mehr Kernen und mehr Threads weitergehen bzw. auch in niedrigeren Performance-Segmenten Einzug halten, so wird man sich auch beim Test der Prozessoren irgendwann auf diese Besonderheit einstellen müssen. Wir haben mit unseren beiden Multitasking-Szenarien den ersten Schritt dazu gemacht und werden die Entwicklung natürlich im Auge behalten.
Bis dahin bleibt nur noch zu sagen: 2990WX – du hast wirklich Spaß gemacht!