AMD Radeon RX 6800 (XT) kein Ethereum-Miningwunder

Vor zwei Tagen hat AMD seine neue Radeon RX 6800 Familie präsentiert, und obwohl Frank Azor, Chief Architect of Gaming Solutions & Marketing, zuvor noch versprochen hatte, dass sich das Verfügbarkeitsdrama, das die neue NVIDIA GeForce RTX 3000 seit Marktstart verfolgt, im eigenen Hause nicht wiederholen würde, kam es wie es kommen musste: nur Minuten nach dem Verkaufsstart waren alle auf dem Markt erhältlichen Modelle weg, und das, obwohl dieses Mal sogar die AMD-Partnerhändler wie (in Deutschland) Alternate und Mindfactory die Karten deutlich über der UVP eingepreist hatten. Das schreckte Interessenten (und Bots) offenbar auch nicht ab. Schon kurze Zeit später tauchten erste Exemplar für +100% Aufschlag bei eBay und eBay Kleinanzeigen auf. Abermals betont AMD, keinen Paperlaunch hingelegt zu haben. Stattdessen sei die Nachfrage schlichtweg um ein Vielfaches höher als das Angebot.
Da kommt die neuerliche Explosion der Kurse (derzeit Bitcoin über 18.000 US-Dollar) bei den Kryptowährungen zu Unzeiten. Wenn neben der sowieso schon hohen Nachfrage durch “normale” Kunden sich auch noch die Kryptominer auf die neuen Radeon-Karten stürzen würden, wäre der Markt wieder über Monate hinweg leergefegt und die Preise der wenigen verbliebenen Exemplare jenseits von Gut und Böse; wie wir es 2017 bereits erleben mussten.
Allerdings droht der Radeon RX 6800 diese Gefahr nicht. Wie schon bei Zen 3 sorgen ein paar technische Eckdaten dafür, dass der Leistungssprung gegenüber älteren Radeon-Generationen ausbleibt. Da kommen Erinnerungen auf: Beim Wechsel von Zen auf Zen 2 hatte sich die Leistungsfähigkeit der CPUs durch die verdoppelte Kernanzahl und der Verdoppelung des Last-Level-Caches je Kern noch massiv gesteigert, was beim einzig verbliebenen Algorithmus für Kryptowährungen, der mit CPUs noch sinnvoll zu schürfen ist – RandomX – dafür gesorgt hat, dass sich die Leistung beinahe verdreifacht hat. Beim Wechsel von Zen 2 zu 3 dagegen fehlte dieser Zuwachs und ein paar weitere Umstände sorgen dafür, dass auch die höhere IPC verpufft und der neue CCX nichts bringt. Das haben wir in einer News bereits ausführlich erläutert.
Was das Mining mit GPUs betrifft, so ist Ethereum als Coin mit der größten Marktkapitalisierung hier der Maßstab. Nachdem die Vorgänger-Generation der RX 6800 XT, die RX 5700 XT, beim ETH-Mining um die 50 MH/s schaffte, mutmaßten einige Beobachter, dass die neuen “Big Navi” Karten weit über 100 MH/s erreichen könnten, schließlich besitzen sie ja doppelt so viele Compute Units gegenüber der ersten Navi-Generation. Dazu noch der Infinity Cache…
ETH-Mining wird jedoch überwiegend von der Bandbreite zwischen GPU und Grafikspeicher gebremst. Hier hat sich AMD aus Effizienzgründen für einen 256-Bit breiten Bus entschieden, sowie für GDDR6-Speicher statt GDDR6X. Daher hat sich die Speicherbandbreite gegenüber der Vorgänger-Generation nur minimal von 448 auf 512 GB/s erhöht. Rein rechnerisch sind also nur ca. 57 MH/s im Default-Zustand zu erwarten. Der Infinity Cache vermag hier nicht viel zu kaschieren, da er nur 128 MB groß ist, das DAG-File von Ethereum mittlerweile aber mehr als 4 GB umfasst. Ein bißchen wird er helfen wenn zufällig doch mal ein Treffer dabei ist, aber grundsätzlich ist Durchsatz und niedrige Latenz gefragt und letztere hat sich durch die zusätzliche Cachestufe sogar noch verschlechtert wenn tatsächlich auf das RAM zugegriffen werden muss.
So weit zur Theorie. Inzwischen gibt es erste Praxiserfahrungen, die sich mit der Hochrechnung decken: 59 MH/s. Selbst im optimierten Zustand, also übertaktet und undervoltet, kommt die RX 6800 XT wohl nicht über 66 MH/s bei ETH hinaus. Für den Aufpreis gegenüber der RX 5700 XT und angesichts der vorhandenen CUs, deren theoretische Mehrleistung durch den Flaschenhals “Speicherbus” verpufft, ist die RX 6800 XT für Mining gänzlich uninteressant. Zumindest für Ethereum-Mining. Natürlich könnte es passieren, dass irgendein anderer mit GPUs schürfbarer Coin massiv von den 72 CUs und dem Infinity Cache profitiert, weil seine Daten zufällig in diese 128 MB hineinpassen, aber gegenüber Ethereum sind die übrigen GPU-Coins zu vernachlässigen. Zur Einordnung: bei Ethereum sind in diesem Moment über 300.000 Miner beteiligt; Leute wohlgemerkt, Mining-Rigs bzw. Grafikkarten x‑mal so viele. Bei anderen GPU-tauglichen Coins, die gut mit Radeon-Karten laufen, sind es gerade einmal 13.000 (Ravencoin), 1.000 (Haven) oder gar nur 100 (Ryo), also ein Bruchteil von Ethereum. Das spielt für die globale Verfügbarkeit einer Grafikkarten-Serie keine Rolle. Zum Glück für Normalkunden.
Update:
Zwar ist Big Navi wie geschildert nicht erste Wahl für Kryptomining, aber wie sich gezeigt hat leider immer noch schnell genug, dass sich die Miner auch auf diese Modelle stürzen, wenn die bevorzugten NVIDIA-Karten nicht verfügbar sind.
Links zum Thema:
- Gute Nachrichten für Verfügbarkeit: Zen 3 für Kryptominer wohl uninteressant ()
- Radeon RX 6800 (XT) und RX 6900 XT ab 18. November bzw. 8. Dezember ()
- Bitcoin zieht wieder an – neuer Grafikkarten-Engpass? ()
- Gebrauchte Radeon RX Vega Grafikkarten überfluten eBay ()
- Wieder normale Grafikkartenpreise dank ASIC-Miner? (Update: Cryptonight) ()
- AMDs Vega der neue Star am Krypto-Mining-Himmel ()