AMD Ryzen 7 1800X Review – Teil 2
Overclocking in der Praxis
An dieser Stelle wollen wir uns den zuvor genannten Informationen einmal aus der Praxissicht nähern: Wir schauen uns an, welche Wege dem übertaktungswilligen User zur Verfügung stehen.
AMD Ryzen Master
AMD hat zeitgleich mit dem Launch von Ryzen auch eine neue Software namens AMD Ryzen Master vorgestellt. Damit ist es mittels Mausklick möglich, den Prozessor zu übertakten, ohne tiefgründige Kenntnisse zu haben.
In der Software lassen sich verschiedene Profile abspeichern, bei denen jeweils eine Taktrate sowie eine Spannung hinterlegt werden kann. Auch der Speichertakt und die ‑timings können verändert werden, was jedoch einen Neustart des Rechners bedingt. Die Software regelt dies automatisch. Hat das BIOS Probleme mit einem bestimmten Speichertakt, so hilft auch Ryzen Master an dieser Stelle nicht weiter. Der Vorteil der Software liegt hingegen auf der Hand: Wird über Ryzen Master übertaktet, so bleiben etwaig gesetzte Stromspareinstellungen erhalten (sofern nicht gleichzeitig über den Referenztakt übertaktet wird). Ohne Last taktet der Prozessor nach wie vor herunter, unter Last taktet er dann bis zu dem Multiplikator, welcher in der Software eingestellt ist. Nachteilig ist hingegen, dass die Software XFR außer Kraft setzt. Wenn also der in Ryzen Master gesetzte Takt niedriger ausfällt als der XFR-Takt (die Gefahr besteht speziell beim 1800X), so wird die Single-Core-Leistung niedriger ausfallen als mit aktiviertem XFR.
In der Praxis hatten wir zudem das Phänomen, dass ein abgespeichertes Profil auf einem Biostar X370GT5 ohne unser Zutun bei jedem Windows-Start automatisch geladen wurde, auf dem ASUS Crosshair VI Hero hingegen nicht. Aber selbst wenn das Laden nicht automatisch funktionieren sollte, so sind es nur wenige Klicks bis zum OC-Erfolg.
Custom-P-States
Das BIOS des ASUS Crosshair VI Hero bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die P‑States des Prozessors zu individualisieren – also de facto den Weg zu gehen, welchen man bei vorangegangenen CPU-Generationen mit Tools wie K10Stat oder AmdMSRTweaker beschreiten konnte. Verschiedenen Lastzuständen kann mittels Vergabe von individuellem FID, DID und Spannungswert so ein gewünschter Taktratenzustand zugeordnet werden. Setzt man beispielsweise einen individuellen P‑State 0 auf 4 GHz, so taktet der Prozessor unter Last im All-Core-Turbo-Modus mit 4 GHz und taktet entsprechend den übrigen Lastzuständen wieder herunter. Übertakten und weiterhin aktive Stromsparmechanismen können auf diesem Wege erzielt werden. Und das, ohne eine zusätzliche Software im Betriebssystem verwenden zu müssen.
In unserem Beispiel haben wir den P‑State 0 angepasst und auf 4,05 GHz gesetzt. Im Lastzustand taktet der Prozessor somit mit genau dieser Taktrate, verringert im Idle jedoch wieder seine Taktrate und Betriebsspannung auf die verbliebenen Standardwerte. Doch auch hier gilt: Dieser Modus setzt XFR außer Kraft. Unser 1800X läuft bei Belastung nur eines Kerns also 50 MHz langsamer als im Standard-Zustand.
Das Auslastungs-Dilemma
Jeder, der seinen Prozessor für den Alltags-Gebrauch übertaktet, wird die Stabilität seiner OC-Einstellungen überprüfen. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Die Anwendung Prime95 ist hierfür äußerst beliebt, da sie bereits seit vielen Jahren relativ zuverlässig Schwachstellen in den OC-Einstellungen offenbart. Doch aktuell scheint es bei Ryzen damit ein mehr oder weniger kleines Problem zu geben: Die Anwendung, selbst in der aktuellen Version 29.10, lastet den Prozessor nicht ausreichend aus. Das führt dazu, dass Taktraten scheinbar stabil sind, es in der Realität aber anders aussieht. Wir konnten Prime95 28.10 1344k mit eingestellten 1,325 Volt bei 4.025 MHz laufen lassen (etwa 30 Minuten). Lassen wir unseren 1800X jedoch das BOINC-Projekt Asteroids@Home rechnen, wo AVX-Workunits zum Einsatz kommen, so erfolgt unverzüglich ein Reset des Systems. Erst, wenn wir die Taktrate bei gleicher Spannung auf 3.950 MHz verringern (also 75 MHz weniger, als uns Prime95 als stabil “einreden” will!!), so läuft Asteroids@Home für mehr als 30 Minuten fehlerfrei. Ein Blick auf die Leistungsaufnahme bestätigt unsere Vermutung:
Asteroids@Home schlägt mit mehr als 30 Watt zusätzlicher Leistungsaufnahme gegenüber Prime 28.10 zu Buche. Für das Diagramm haben wir auf Version 28.10 zurückgegriffen, weil zum Zeitpunkt der Messungen Version 29.10 noch nicht verfügbar war. Natürlich haben wir mit Version 29.10 kurz überprüft, ob sich Veränderungen ergeben, konnten aber keine nennenswerten Abweichungen messen. Zwar konnten wir hier und da fünf oder sechs Watt Differenz bei der Leistungsaufnahme messen, die Taktrate von 4.025 MHz unseres 1800X wurde aber auch von dieser Version als stabil erachtet.
Selbst Cinebench R15 belastet den Prozessor stärker als Prime95 28.10. Es scheint so zu sein, dass Prime95 keine AVX-Instruktionen benutzt und deshalb ein fehlerbehaftetes Bild in puncto Stabilität zeichnet. Wir empfehlen daher, Prime95 nicht blind zu vertrauen und zumindest noch andere Anwendungen als Indikator heranzuziehen. Asteroids@Home eignet sich dafür augenscheinlich hervorragend. Neben der Erkenntnis, ein stabileres System zu haben, bringt der Einsatz sogar der Wissenschaft noch einen Nutzen. Also: Ausprobieren!