AMD Ryzen 7 1800X Review – Teil 2
Wissenswertes zum Arbeitsspeicher
Wie sich der Speichertakt berechnet, haben wir bereits geklärt. Daneben gibt es aber noch ein paar weitere Aspekte, die wissenswert sind.
Das sogenannte Memory-Hole
Im Overclocking-Guide für Ryzen, veröffentlicht von ASUS, wird darauf hingewiesen, dass es ein sogenanntes Memory-Hole geben kann. Damit ist gemeint, dass in einem undefinierten Bereich die Speichertakte nicht funktionieren. ASUS zufolge haben viele Prozessoren das Problem, nicht mit Speichertakten zwischen ~DDR4-3350 und ~DDR4-3600 booten zu können. Es kann also vorkommen, dass das System mit DDR4-3400 nicht starten will, mit DDR4-3600 hingegen schon. Allerdings gibt es auch vereinzelte Berichte, dass Systeme bereits bei ~DDR4-3200 nicht starteten. Es kann sich also lohnen, bei Bootversagen einen höheren Takt einzustellen. Was paradox klingt, kann in der Realität helfen. Blicken wir in die Vergangenheit zurück, so ist diese Situation nicht ganz neu. NVIDIAs Chipsätze für Sockel 775 hatten ein ähnliches Verhalten. Auch dort gab es gewisse Lücken in den erreichbaren Taktraten.
Einstellbare Speichertimings
Aktuell lassen sich nur insgesamt fünf Speichertimings einstellen: tCL, tRCRDD, tRCWRD, tRTP und tRAS. Alle anderen Timings, wie zum Beispiel die Command Rate, sind derzeit im BIOS nicht verfügbar. Die Situation war jedoch nicht immer so: Vor dem Launch von Ryzen waren weitere Speichertimings im BIOS änderbar. ASUS hat im BIOS des Crosshair VI Hero beispielsweise noch die “damals” veränderlichen Timings als Platzhalter hinterlegt, falls diese irgendwann wieder änderbar werden (vielleicht mit der Bereitstellung neuer Speichertakte im Mai?!). Die folgenden Screenshots zeigen einige der Timings, welche eigentlich zur Verfügung stehen sollten:
Das bedeutet jedoch nicht, dass es diese Timings überhaupt nicht mehr gibt. Sie existieren, sind jedoch schlichtweg nicht mehr im BIOS änderbar. Zumindest nicht direkt. Denn ändert man den Speichertakt (also statt z.B. DDR4-2666 wechselt man auf DDR4-2933), so ändert man indirekt auch die “verborgenen” Timings. Welche Timings bei welchem Takt wie gesetzt werden, entscheidet aktuell entweder der Mainboard-Hersteller mit seiner BIOS-Administration oder AMD mit der Bereitstellung von Standardwerten. Daher kann ein neues BIOS deutliche Verbesserungen in Sachen Performance bringen – genauso wie deutliche Verschlechterungen. Vermutlich ist in diesem Umstand auch der Grund zu suchen, warum der eine Nutzer mit einem Speicherkit gut klarkommt, der nächste User mit gleichem Speicherkit mit anderem BIOS und/oder anderem Board hingegen überhaupt nicht. Es bleibt zu hoffen, dass AMD die Veränderung aller Speichertimings in Zukunft wieder freigibt, damit Kompatibilitätsprobleme auch ohne BIOS-Flash bekämpft werden können.
Eine Sonderstellung nimmt hier das Timing Command Rate ein. Während bei den meisten Mainboards fest 1T gesetzt ist (unabhängig vom Speichertakt), so gibt es beim ASUS Crosshair VI Hero die “Wahl” zwischen 1T und 2T – allerdings nicht per Option im BIOS, sondern mittels BIOS-Flash. Die Beta-BIOS-Versionen 1001 und 0038 basieren auf identischen “Basis”-Einstellungen, wobei BIOS 1001 stets mit einer Command Rate von 1T läuft und BIOS 0038 ausschließlich mit 2T. Inwieweit diese Zweigleisigkeit bei künftigen BIOS-Releases beibehalten wird, bleibt allerdings abzuwarten. Zudem könnte man theoretisch für weitere Timings unterschiedliche BIOS-Versionen erstellen, bei der Vielzahl an Timings und den schier endlos erscheinenden Kombinationsmöglichkeiten dürfte dieser Ansatz wenig Aussicht auf Erfolg in der Praxis haben.
Aber auch diese Situation ist nicht neu: Wenn wir bis zur Sockel-A-Ära zurückgehen, so finden wir mit dem ABIT NF7 ein Mainboard, welches ähnlich “tickte”: Während bei der Konkurrenz mit gleichem Chipsatz das mit Command Rate identische Timing Command per Clock im BIOS aktiviert und deaktiviert werden konnte, so mussten User des NF7 hierfür jeweils ein passendes BIOS flashen. Also auch hier: In der Vergangenheit bereits vorgekommen, jedoch nicht unbedingt erstrebenswert.
Geradzahlige Speichertimings
Während unserer Tests ist uns zu dieser Thematik zwar selbst nichts aufgefallen, wir halten diesen Aspekt jedoch für erwähnenswert: Hin und wieder liest man von Usern, dass sie mit der Verwendung von geradzahligen Speichertimings besser fahren. Wer also beispielsweise mit 15–15-15 Probleme hat, der kann ruhig einmal 14–14-14 oder 16–16-16 probieren. Zudem gibt es vereinzelte Aussagen, dass bei ungerade eingestellten Speichertimings das Board bzw. das BIOS selbstständig geradzahlige Speichertimings setzt.
Welche Spannungsangabe stimmt?
Wie bei fast jeder CPU-Generation kommt auch bei Ryzen gelegentlich die Frage auf, welche Spannungsangabe stimmt. Der ausgelesene Wert im BIOS? Die Anzeige von CPU‑Z? Anzeigen in Hersteller-Tools? Oder die per Multimeter gemessenen Werte an speziellen Messpunkten, wie z.B. bei unserem Crosshair VI Hero?
Speziell bei der ASUS-Platine haben wir mit völlig unterschiedlichen Werten zu “kämpfen”. Während wir im BIOS den Wert 1,325 Volt eingestellt haben, gab uns CPU‑Z einen Wert von 1,33 bis 1,35 unter Last aus. An den Messpunkten am Mainboard nachgemessen, hatten wir es mit satten 1,400 Volt zu tun. Und die aktuelle Beta-Version von HWInfo zeigt uns zu allem Überfluss nur 1,294 Volt unter Last an. Welchem Wert kann man nun vertrauen?
Nun, eine 100-prozentig richtige Antwort wird es hier nicht geben. Allerdings wird der Wert CPU Core Voltage (SVI2 TFN) in der aktuellen Beta-Version von HWInfo aus den Telemetriedaten des Prozessors ausgelesen, welche vermutlich auch bei der internen Steuerung von Turbo und XFR Verwendung finden. Diese Angaben sollten also relativ genau sein, sodass man sich auf diese Werte am stärksten verlassen sollte. Auf diese verweist beispielsweise auch ASUS, wenn es um die größte Genauigkeit der Spannungsangabe geht.
Der im Gegenteil dazu viel zu hohe Wert an den Messpunkten des Crosshair VI ist der Tatsache geschuldet, dass der Wert an einer Stelle “abgegriffen” wird, welche sich vor dem eigentlichen Prozessor und seiner Spannungsreduzierung unter Last, dem VDroop, befindet. Daher ist die Messung nur im Idle-Betrieb korrekt, unter Last wird der Wert durch den Prozessor selbstständig verringert. Das ist ärgerlich, lässt sich jedoch ohne Layoutänderungen am Mainboard nicht korrigieren.
Das Potenzial der Plattform in Sachen Speichertakt
Derzeit liegt bei Sockel AM4 mit der Speicherunterstützung noch einiges im Argen. Zwar lassen sich auch jetzt schon gute Ergebnisse erzielen, oftmals ist dafür jedoch auch eine Portion Glück notwendig. Wir hoffen, dass die Bereitstellung neuer Speichereinstellungen durch AMD und darauf folgende BIOS-Updates weitere Verbesserungen bringen. Was in Sachen Speichertakt erreichbar ist, wenn alles passt, zeigt der User nvidiaforever2 aus dem hwbot-Forum. Er hat es geschafft, zwei Speicherriegel mit Samsung-B-Die-Chips auf sagenhafte 1906 MHz respektive DDR4-3812 zu takten. So ganz nebenbei verwendet er dabei noch Speichertimings von 12–11-11, was jedoch nur durch eine hohe Speicherspannung erzielt werden kann (vermutlich 1,8 Volt aufwärts).
Das Ergebnis zeigt eindrucksvoll das Potenzial von AM4 auf. Hoffen wir, dass es künftig auch regelmäßig abgerufen werden kann.
Der Timer-Bug in Windows 10
Kurz nach dem Launch von Ryzen gab es erste Berichte über einen Timer-Bug in Windows 10. Ist das System übertaktet und wird Windows in den Ruhezustand versetzt, so ändert sich nach dem Aufwachen sowohl die angezeigte Taktrate als auch die Performance. So soll es Fälle gegeben haben, wo der Prozessor plötzlich mit mehr als 4,5 GHz taktete und enorm schnell rechnete.
Diese Situation ist ein unschöner Bug und wurde durch einen Fehler im AGESA-Code verursacht. Seitens AMD wurde ein entsprechendes AGESA-Update bereitgestellt. Da die Mainboard-Hersteller aktuell jedoch noch den einen oder anderen Schritt zurückhängen, was die Implementierung der aktuellen AGESA-Codes anbelangt, kann der Bug leider hier und da noch in der Praxis auftreten.
Ein Neustart des Systems behebt das Problem übrigens.
Overclocking-Fazit
An dieser Stelle sind wir am Ende unserer initialen OC-Betrachtung angekommen. Weder erhebt unsere Zusammenfassung Anspruch auf Vollständigkeit, noch haben wir alles selbst herausgefunden. Vielmehr haben wir auf den vergangenen Seiten das zusammengefasst, was User in verschiedenen Foren schreiben, eigene Erfahrungen ergänzt und ganz allgemein das Wie in der Praxis beleuchtet.
Fakt ist: Das Übertakten von AMDs AM4-Plattform bereitet Spaß – viel Spaß. Zwar sind die zu erzielenden Prozessor-Taktraten nicht extrem hoch, die zur Verfügung stehenden Stellschrauben für eine noch bessere Gesamtperformance jedoch sehr vielfältig. Es kann nach Herzenslust getüftelt, getweakt und getaktet werden. Ein Wehrmutstropfen bleibt der Speicherbereich, welcher an Eingriffsmöglichkeiten noch nicht das bietet, was theoretisch möglich ist. Sollte AMD diese Baustelle künftig beseitigen, so steht weiteren Performance-Verbesserungen nichts mehr im Wege.
Eines müssen wir an dieser Stelle aber noch anmerken: Aufgrund der rasanten Entwicklung seit der Einführung der AM4-Plattform in Sachen BIOS-Updates, Software-Updates, neuen Erkenntnissen und Erfahrungen kann unsere Overclocking-Übersicht morgen schon komplett veraltet sein. Selbst während der Tests für diesen Artikel-Abschnitt mussten wir manche Passagen aufgrund neuer Erkenntnisse mehrfach überarbeiten.
Wir bleiben natürlich am Ball und werden die OC-Situation weiter verfolgen und aktiv eigenen Tests nachgehen. Es bleibt also spannend!