Zen 2 — AMD Ryzen 7 3700X und Ryzen 9 3900X im Test
Fertigung, Besonderheiten, RAM, Overclocking, Preise
Wer die letzten Seiten nur überflogen hat, könnte den Eindruck gewinnen, Matisse wäre nichts weiter als ein paar zusammengeklebte Dies, “clued together”, wie Mitbewerber Intel vor zwei Jahren bei der Vorstellung des Threadripper despektierlich lästerte. Dass das alles nicht so einfach ist wie es in der Theorie klingt und jede Design-Entscheidung wohldurchdacht war, hat AMD scheints zu folgenden Schaubildern bewogen. Allein die Verdrahtung der bis zu drei Dies auf einem kleinen Träger, wie es AM4 nun einmal ist, ist ein wahres Kunstwerk, für dessen Realisierung sogar die Fertigungsmaschinen für das Package angepasst werden mussten.
Speicher-Support
Die Markteinführung des ersten Ryzen im Frühjahr 2017 verlief alles andere als reibungslos. Während die CPU selbst von Beginn an überzeugen konnte, merkte man der Plattform an, dass sie brandneu war und noch einiges an Reifezeit brauchte. Insbesondere die Speicherkompatibilität war anfangs verheerend – oft liefen nicht einmal JEDEC-Speicher mit Standard-Taktrate und ‑Timings – und wurde erst dank BIOS-Updates mit neuen AGESA-Codes sukzessive besser.
Mit Matisse soll das nun nicht mehr passieren. Vor allem die ganz hohen Speichertakte, die für Ryzen 1000/2000 bisher gar nicht erreichbar waren, sollen nun angegangen werden. Dafür greift AMD zu einem Trick, den alte Sockel-A-Hasen noch kennen dürften: dem asynchronen Speicherbetrieb. Bis zu DDR4-3766 betreibt AMD den Speicherbus synchron (1:1) mit dem Infinity-Fabric-Takt. Um die zentrale interne Datenautobahn der Ryzen-Plattform nicht zu überfordern, schaltet AMD bei noch höheren Takten auf 2:1‑Betrieb um. Die IF-Frequenz kommt damit wieder in beherrschbare Gefilde. Das kostet etwas Latenz, daher empfiehlt AMD für optimales Preis-/Leistungsverhältnis DDR4-3600 CL16. Allerdings fällt dies bereits unter Overclocking.
Offiziell freigegeben ist bei Matisse “nur” DDR4-3200, sofern zwei Module (eines je Speicherkanal) in Single-Rank-Bauweise installiert sind. So sieht das bei Matisse insgesamt aus im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern:
DIMM-Bestückung | Speichermodule | Matisse (Zen 2) | Pinnacle Ridge (Zen+) | Summit Ridge (Zen) |
---|---|---|---|---|
2 von 2 | Single Rank | DDR4-3200 | DDR4-2933 | DDR4-2667 |
2 von 4 | DDR4-3200 | DDR4-2933 | DDR4-2667 | |
4 von 4 | DDR4-2933 | DDR4-2133 | DDR4-2133 | |
2 von 2 | Dual Rank | DDR4-3200 | DDR4-2667 | DDR4-2400 |
2 von 4 | DDR4-3200 | DDR4-2667 | DDR4-2400 | |
4 von 4 | DDR4-2667 | DDR4-1866 | DDR4-1866 |
Wie unschwer zu erkennen macht die freigegebene Taktfrequenz bei Matisse einen großen Sprung nach oben, insbesondere was die Bestückung mit Dual-Rank-Modulen betrifft. Statt 1866 MT/s bei Verwendung von 4 Modulen sind hier nun 2667 MT/s offiziell freigegeben, was einem Plus von 42 Prozent entspricht. Oder anders formuliert: Die maximal erlaubte Speichertaktrate mit Minimalbestückung bei Ryzen 1000 ist unter Ryzen 3000 nun bei Vollbestückung mit Dual-Rank-Modulen erlaubt.
Inoffiziell geht natürlich noch viel mehr. AMD selbst schreibt in seinen Infoblättern zum Review, dass DDR4-4200+ “with ease” möglich sein soll (sofern die Module es vertragen) und lässt es sich nicht nehmen, einen CPU-Z-Screenshot beizulegen, der einen Speicherbetrieb mit DDR4-5100 zeigt. Das ist natürlich nichts für den alltäglichen Betrieb, soll aber zeigen, was nun möglich ist.
Für derartige Stunts ist allerdings der neue Memory-Controller von Matisse nicht allein verantwortlich. AMD schreibt, dass für die X570-Mainboards strengere Vorgaben bei der Verdrahtung der Leiterbahnen für den Speicherbus angewendet wurden, um eine sauberere Signalübertragung zu ermöglichen. Es kommt also (wie immer) auch auf das Mainboard an, wieviel Overclocking beim Speicher möglich ist.
Überhaupt hat AMD dem Thema Overclocking viele Sheets gewidmet. So soll das AMD-eigene Tweaking-Tool Ryzen Master komfortabler sein und nicht nur einfaches Import/Export von Einstellungen ermöglichen, sondern auch sämtliche Timings, Takte und Spannungen der Plattform konfigurierbar machen.
Für Matisse gibt es auch ein Update für Precision Boost Overdrive, das allerdings nur in Verbindung mit X570-Mainboards komplett zum Tragen kommt. Dazu hat AMD ein YouTube-Video veröffentlicht:
Es erlaubt unter Berücksichtigung der VRM-Auslegung und der üblichen Stellgrößen wie Temperatur eine automatische Übertaktung der CPU unter Berücksichtigung der erhöhten Parameter. Neu bei Matisse ist, dass der Anwender auch die maximal zulässige Taktrate um bis zu 200 MHz anheben und die Steuerung dem System überlassen kann. Voraussetzung dafür ist neben Matisse allerdings auch ein Mainboard mit X570-Chipsatz.
Mit all den genannten Verbesserungen sieht AMD sich gegenüber Intel gut aufgestellt. Derweil hat AMD schon mal die unverbindlichen Preisempfehlungen für die neuen Ryzen 3000 “Matisse” bekannt gegeben:
Modellname | UVP inkl. MwSt. |
---|---|
MATISSE CPU (Zen 2) | |
AMD RYZEN™ 9 3900X | 529,00 € |
AMD RYZEN™ 7 3800X | 429,00 € |
AMD RYZEN™ 7 3700X | 349,00 € |
AMD RYZEN™ 5 3600X | 265,00 € |
AMD RYZEN™ 5 3600 | 209,00 € |
PICASSO APU (Zen+) | |
AMD RYZEN™ 5 3400G | 159,00 € |
AMD RYZEN™ 3 3200G | 106,00 € |
Die Preise enthalten die deutsche Mehrwertsteuer iHv. 19 Prozent und liegen daher etwas höher als die Umrechnung aus den Dollar-Preisen erwarten ließe, da es sich dort um Nettopreise handelt. Damit sind die Matisse-Modelle nicht gerade Sonderangebote. Natürlich hinkt der Vergleich, weil sich gegenüber der ersten Zen-Generation die Leistung verbessert hat und auch die Anzahl der Kerne beim Topmodell erhöht wurde. Aber selbst wenn man möglichst gleiche technische Eckdaten zugrunde legt – Ryzen 7 2700 8‑Kerner mit 65 W vs. Ryzen 7 3700X 8‑Kerner mit 65 W – ist der neue teurer als der alte damals zur Markteinführung, obwohl wie in diesem Fall der 3700X in der Ryzen-Hierarchie weiter unten steht als der 2700 damals. Anscheinend erwartet AMD ein großes Kundeninteresse und hat das Selbstvertrauen, sich die Leistung auch entsprechend honorieren zu lassen.